Vor 400
Jahren: Thomas Scheitenberger, Vogt von Kißlegg 1620 bis 1632
Einleitung
Thomas Scheitenberger war in
einer sehr bedeutenden Phase der Geschichte Kißleggs von 1620
bis
1632 Vogt, Amts- und Gerichtsschreiber des Baumgartischen Teils der
Herrschaft Kißlegg, worauf im Verlauf des Textes noch
eingegangen
werden wird.1
Zuvor hatte er seit 1606 diese
Ämter in der Baumgartischen Herrschaft Konzenberg in der
Nähe von
Augsburg inne.2
Geboren wurde Thomas Scheitenberger vermutlich in den 1570er Jahren.
Wappen und
Verwandtschaftsbeziehungen
Sein genauer Geburtsort ist
zwar unklar, jedoch lässt sich über das Wappen, das
er führte und
während eines Aufenthaltes in Ingolstadt 1603 in
das Stammbuch des
Stephan Klingshirn eintragen ließ (Abb. 1),3
eine Verwandtschaftsbeziehung zu Gallus Schittenberger herstellen,
der in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts dasselbe Wappen
führte.4
Gallus Schittenberger hatte sein Wappen am 12. Februar 1539 in Toledo
durch den Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, Karl V.,
für
seinen „wolbedachten apart gueten Rath und Rechten
wissen“5
verliehen bekommen.6
Die im Wappenbrief enthaltene Wappenbeschreibung passt exakt zum
Wappen, das auch Thomas Scheitenberger 1603 führte, weshalb
hier
eine Verwandtschaftsbeziehung über die väterliche
Linie belegt
werden kann. Besagtes Wappen wird auch in dem von Eduard Zimmermann
publizierten Buch „Augsburger Zeichen und Wappen“
aufgeführt.7
Gallus Schittenberger wird
außerdem 1555 in einer Urkunde des Salemer Oberamtes Ostrach
als
Vogt von Königsegg und Unterpfleger der Kaplanei St. Anna in
der
Pfarrkirche zu Königseggwald erwähnt.8
Er besaß zudem ein Erblehenhaus mit Backhaus in Ostrach.9
Mit hoher Wahrscheinlichkeit
war Gallus Schittenberger 1555 bereits im fortgeschrittenen Alter,
weshalb man annehmen muss, dass der spätere Vogt von
Kißlegg,
Thomas Scheitenberger, sein Enkel war und somit eine Generation
zwischen ihnen lag.
Ein Sohn des Gallus
Schittenberger und eventuell Vater von Thomas Scheitenberger
könnte
der um 1572 als Vogt der bei Tussenhausen gelegenen Ortschaft
Mattsies erwähnte Hanns Scheitenberger sein, der nach Auskunft
des
Stadtarchivs Augsburg dasselbe Wappen wie Gallus Schittenberger
führte.10
|
Abb. 1
Wappen des Thomas Scheitenberger im
Stammbuch des
Stephan Klingshirn Ingolstadt,
1603
Staatsbibliothek
Bamberg, Msc. Hist. 175, fol.206r
|
Potentielle Vorfahren und
Namensherkunft
Potentielle Vorfahren oder
Verwandte des Gallus Schittenberger lassen sich in der Region
Bodensee-Oberschwaben seit 1304 zahlreich finden. 1304 erfolgte mit
Johans von Schiterberg die erste bekannte, urkundliche Nennung des
Familiennamens Schiterberg, Schiterberger, Scheiterberg,
Scheiterberger, Schitenberg, Schitenberger, Scheitenberg,
Scheitenberger.11
Johans Schiterberg gilt als Erbauer der gleichnamigen, heute jedoch
abgegangenen Burg im Bezirk Andelfingen des Kantons Zürich,
Schweiz.12
Ihren Namen hat die Familie höchstwahrscheinlich von dem
bereits vor
dem Burgenbau existierenden Flurnamen Schiterberg.13
Im Oberdeutschen Flurnamenbuch wird das Wort schitter bzw.
schütter
als Charakterisierung einer Fläche verstanden, die
dünn mit Holz
bestanden ist.14
Somit könnte beispielsweise mit einem Schiterberg ein
dünn mit
Bäumen bestandener Berg gemeint sein. Der Flurname
könnte sich
jedoch auch aus dem Wort Scheit/Scheiter ableiten, was die
Bezeichnung für einen Holzscheit bzw. Spältling ist.
In diesem Fall
könnte als Schiterberg auch ein Berg gemeint sein, auf dem
Holz
eingeschlagen und zugerichtet wird.15
Die Freiherren von Schiterberg besaßen laut einem Urbar der
Abtei
Rheinau mehrere Lehen, darunter auch Zehntrechte zu Andelfingen.16
Die Burg Schiterberg wurde bereits in einer Chronik des 16.
Jahrhunderts als zerstört charakterisiert.17
Eine mögliche Verwandte
dieser adeligen Familie Schiterberg diesseits des Rheins im heutigen
Oberschwaben könnte Agnes von Sulgen (Saulgau) gewesen sein,
die
eine von Schitterberg war und 1348 als Klosterfrau in Heiligkreuztal
bei Riedlingen erwähnt wurde.18
Auch in Urkunden des 15.
Jahrhunderts finden sich zahlreiche Nennungen von Schittenbergern im
Raum Oberschwaben. So etwa 1445 Hans Schittenberger der Ältere
aus
Wendenreute bei Königsegg, der 1445 in Ungnade des Abtes
Erhard des
Klosters Weingarten fiel, weil er eine Ungenossame
heiratete,19
womit vermutlich entweder eine nicht aus demselben Stand stammende
oder eine Ehefrau aus einer fremden Herrschaft gemeint war.20
Auch für das 16. Jahrhundert
finden sich im Umfeld der bisher genannten Ortschaften urkundliche
Erwähnungen von Schittenbergern, wie etwa Hans Schittenberger
von
Hoßkirch 1530 und Thomas Scheitenberger als Schreiber und
Lehensträger des Klosters Rot an der Rot 1535.21
Ob der spätere Kißlegger Vogt
Thomas Scheitenberger
ebenfalls gebürtig aus der Gegend um Königsegg
stammte, lässt sich
bisher nicht belegen, jedoch legt dies die Übereinstimmung
seines
Wappens mit dem des Gallus Schittenberger nahe. Ein sicherer Nachweis
zur Herkunft Thomas Scheitenbergers lässt sich hingegen aus
Angaben
in den Universitätsmatrikeln der Universitäten
Ingolstadt, Wien
und Freiburg gewinnen, worauf im weiteren Verlauf noch eingegangen
wird.
Herkunft und Studienzeit
des Thomas Scheitenberger
Bereits am 9. Juni
1586
schrieb sich Thomas vermutlich im Alter von 13 bis 15 Jahren als
Student an der katholischen Universität Dillingen ein,22
die 1551 von Kardinal Otto Truchsess von Waldburg im Rahmen der
Gegenreformation und in Nachfolge der Universität Augsburg in
Dillingen
neu gegründet wurde.23
An der Universität Dillingen wurden zum einen adelige
Söhne und zum
anderen Verwaltungsleute der Kirche und des Adels ausgebildet. Zu
letzteren ist auch Thomas Scheitenberger zu zählen. Seine
Bildungsbiographie führte ihn schließlich weiter an
die
Universitäten Ingolstadt, wo er sich 1587 immatrikulierte,24
Wien, wo er sich ebenfalls 1587 einschrieb,25
und Freiburg, wo er 1593 eingeschrieben wurde.26
In allen drei Fällen wird als Herkunftsort von Thomas
Scheitenberger
Utinganus angeführt, womit höchstwahrscheinlich das
bei Augsburg
gelegene Jettingen gemeint ist. Diese Herkunft aus Jettingen passt
auch im Hinblick auf sein Amt als Vogt der nahe gelegenen Herrschaft
Konzenberg ab 1606 in das Bild, das sich zum Leben von Thomas
Scheitenberger abzeichnet.
Sehr realitätsnah wird die
Studienzeit und Lebensgeschichte des Thomas Scheitenberger beim Blick
auf die Akten des Reichskammergerichts. Hieraus geht hervor, dass
Thomas noch während seiner Studienzeit in Ingolstadt in eine
tätliche Auseinandersetzung mit Körperverletzung als
Folge eines
Streits zwischen Kommilitonen verwickelt war.27
Dr. iur. Konrad
Müller,
Advokat des kaiserlichen Landgerichts des Burggrafentums
Nürnberg zu
Ansbach, verklagte bereits 1598 den herzoglich
württembergischen Oberrat zu Stuttgart Dr. iur. Johann
Christoph Reinhardt und
forderte von
ihm 4000 Reichstaler Schadensersatz, um hiermit seine Kosten
für
Ärzte und Arzneimittel zu decken.28
Im Rahmen der tätlichen Auseinandersetzung waren Reinhardt
mit
seinem Waidmesser auf der einen Seite und Müller sowie
Scheitenberger mit Dolchen auf der anderen Seite in Streit geraten, in
dessen Verlauf Reinhart seinem Kontrahenten Müller mit dem
Waidmesser
eine
schwere Augenverletzung zufügte.29
Müllers Klage ging insgesamt durch drei Instanzen.
Schließlich
wurden ihm 1000 Gulden Schadensersatz zugesprochen.30
Als Jurist am Prozess beteiligt war der sich im Lizenziat, also
seiner Doktorarbeitsphase, befindliche Peter Paul Steuernagel, der
sich mit Spruch und Wappen 1595 in das studentische Stammbuch des
Philipp Scheitenberger eingetragen hatte (Abb. 2).31
Die Person Philipp Scheitenberger wird im weiteren Verlauf noch
thematisiert werden.
|
Abb. 2
Spruch und Wappen des Peter
Paul Steuernagel im studentischen Stammbuch des
Philipp Scheitenberger, 1595.
Staatsbibliothek
Stuttgart, Cod. hist. oct. 68.
|
Gesellschaftliche Stellung
der Familie Scheitenberger
Durch die Wappenverleihung an
Gallus Schittenberger war die Familie in der Ständeordnung des
Alten
Reiches in den 5. Heerschild aufgestiegen, der von der Gruppe an
Personen gebildet wurde, die als Dienstleute für die Adeligen
und
Kirchen tätig waren und auch als Mittelfreie oder Halbedle
bezeichnet wurden.32
Sie unterschieden sich somit von den Adligen in den höheren
Ständen
und den gemeinen Freien sowie von den aus nicht eigener und ehrlicher
Geburt entstammenden niedrigeren Ständen.33
Wichtig war die
Standeszugehörigkeit deswegen, da hiermit diverse Privilegien
verbunden waren, wie etwa das Recht, an Schöffengerichten
mitzuwirken, den Wohnort frei zu wählen, Grabmäler zu
errichten
oder sich frei im Reichsgebiet bewegen zu können. Erst diese
Privilegien machten es Thomas Scheitenberger möglich, in
Kißlegg
das Amt des Vogtes auszuüben und beruflich mobil zu sein.
Ähnliche
Privilegien besaß beispielsweise die Kißlegger
Familie Walser, die
sich 1660 in Kißlegg niederließ und im Ort die
waldburg-trauchburgische Färberei übernahm. Als
ehemalige Bürger
der damals freien Reichstadt Bregenz sind in ihrem Wappenbrief diese
Privilegien allesamt im Detail aufgelistet.34
Thomas Scheitenberger als
Kißlegger Vogt sowie Amts- und Gerichtsschreiber
Als promovierter Jurist des
weltlichen und kirchlichen Rechtes war Thomas Scheitenberger in der
Herrschaft Kißlegg für den Baumgartischen Teil in
Angelegenheiten
der Strafrechtspflege der Herrschaft Kißlegg und in weiteren
Verwaltungsangelegenheiten tätig. Zudem beriet er Maria
Gräfin zu
Hohenems, geborene von Baumgarten, auch in rechtlichen
Angelegenheiten, die das Verhältnis zu den Freiherren zu
Schellenberg betrafen,35
wie etwa in der „Kißleggischen Sache“.36
Die „Kißleggische
Sache“
bezeichnet einen Streit zwischen den Erben des Baumgartischen Teils
der Herrschaft Kißlegg und dem Schellenbergischen Teil um
Besitzansprüche an dem von der Gräfin Maria zu
Hohenems geerbten,
erstgenannten Anteil.37
In dieser Angelegenheit unternahm Thomas Scheitenberger um 1626 eine
Reise nach Wien.38
Dass Thomas Scheitenberger
wohl aufgrund seiner juristischen Kompetenzen einer der
bestbesoldeten Kißlegger Vögte seiner Zeit war,
zeigen historische
Akten zu seiner Bestallung. So erhielt er die Tafel in Höhe
von 150
Gulden, 200 Gulden in bar und in der Kanzleitaxe (Schreibgeld, Abzug,
Teilung usw.), ferner war ihm die Behausung und jährlich
für 40
Gulden Holz, ein Fischwasser für 15 Gulden, Korn zu 50 Gulden
und
weiteres gegeben, was sich zusammengerechnet im Jahr auf 720 Gulden
belief.39
Georg Brandlater als
Nachfolger von Thomas Scheitenberger wurde nur mit insgesamt 500
Gulden jährlich einschließlich Naturalleistungen,
Obdach etc.
besoldet.40
Es scheint hierbei jedoch auch die Lieferung von Fischen über
Ulm
nach Wien eine Rolle gespielt zu haben.41
Ehe, Familie und Kinder
Zwar lässt sich anhand der
bisher ausgewerteten historischen Quellen nicht nachvollziehen, wann
Thomas Scheitenberger heiratete, jedoch bietet ein erhaltener Brief
seiner Schwiegermutter an seine aus der bei Jettingen und Konzenberg
gelegenen Ortschaft Röfingen stammende Ehefrau Anna Beysler
vielfältige Informationen zu seinen
Verwandtschaftsverhältnissen
auf Seiten der Schwiegerfamilie.42
Anhand des Briefes wird deutlich, dass Thomas Scheitenberger mit
seiner Ehefrau Anna Beysler sowie ihren gemeinsamen Kindern wohl bis
zu seinem Umzug nach Kißlegg 1620 in Röfingen wohnte.43
Die Mutter, die ebenfalls Anna hieß, war wohl zu dieser Zeit
in ein
Gerichtsverfahren verwickelt, im Rahmen dessen ihr Thomas
Scheitenberger bisher wohl juristisch beigestanden war.44
Sehr aufgewühlt berichtet die Schwiegermutter davon, dass man
sie
nicht für schuldig halten solle und sie die
Unterstützung ihres
Schwiegersohnes sehr entbehre.45
Zudem schreibt die Schwiegermutter Anna, dass ihr Mann mit 55 Gulden
bei der Herrschaft verschuldet sei und ihr Sohn Peter vergangenen
Mittwoch in der Stube auf das Gesicht gefallen war, und sich hierbei
sein Gesicht und die Nase so verletzt hatte, dass er sich am
nächsten
Tag aufgrund der starken Blutungen im Bett aufhalten musste.46
Durch die Inhalte des Briefs wird das Familienleben des ehemaligen
Kißlegger Vogtes Scheitenberger sehr gut nachvollziehbar. Es
war
sicher geprägt von viel Unruhe und Schwierigkeiten, die es
für ihn
beherzt zu lösen galt.
Insgesamt zwei Kinder lassen
sich Anna Beysler und Thomas Scheitenberger als Nachwuchs zuordnen.
Anhand des Taufbuchs der Pfarrei Kißlegg
lässt sich für den 10.
März 1622 die Taufe der Tochter Elisabetha Scheitenberger und
für
den 18. Juli 1623 die Taufe des Sohnes Johannes Ernestus
Scheitenberger nachweisen.47
Die Patenschaft für die beiden Kinder übernahmen
beides Mal Johann
Christoph von Schellenberg und Maria Gräfin von Hohenems.48
Der Brief eines nicht
namentlich nachvollziehbaren und in Altdorf (Weingarten)
ansässigen
Schwagers von Thomas Scheitenberger aus dem Jahr 1627 stellt eine
Einladung zur Hochzeit des Schwagers mit Margaretha Prokh aus dem
vorarlbergischen Blumenegg dar.49
Die Hochzeit sollte am 15. November in Feldkirch stattfinden.50
Das Wappen des Schwagers von Thomas Scheitenberger findet sich am
Brief in Form eines Papiersiegels angebracht.51
Der Wappenschild zeigt eine Hand, die drei Rosenstengel mit
Blüten
hält (Abb. 3).
Über die weiteren Kinder von
Thomas Scheitenberger ist bisher nur bekannt, dass ein weiterer Sohn
mit Namen Johann existierte, der bereits 1624 an der
Universität
Dillingen studierte und für den sein Vater die Kosten
für das
Studium, wie etwa Unterkunft, Bekleidung etc. beglich.52
Ob Johann ein gemeinsames Kind mit Ehefrau Anna Beysler war,
lässt
sich derzeit nicht klar nachvollziehen, jedoch liegt diese Annahme
sehr nahe. Seine Immatrikulation an der Universität Dillingen
erfolgte jedenfalls im Jahr 1623 unter der Matrikelnummer 127.53
Ein weiterer Sohn von Thomas Scheitenberger könnte Sebastianus
Philippus Scheitenberger sein, der sich am 19. Mai 1638 an der
Universität Dillingen unter der Matrikelnummer 3 einschrieb
und für
den als Vater ein Thomas und als Herkunftsort Konzenberg angegeben
wurde.54
|
Abb. 3
Wappen des
Schwagers von Thomas Scheitenberger in Form eines
Papiersiegels an einem Brief.
Der Wappenschild zeigt eine Hand, die drei Rosenstengel mit
Blüten
hält.
Gesamtarchiv der
Fürsten zu Waldburg-Zeil-Trauchburg, ZAKi 237 |
Weitere Verwandte
Anhand der Matrikel der
Universität Dillingen sowie Ähnlichkeiten des
geführten Wappens
wird deutlich, dass Thomas Scheitenberger mindestens zwei
Brüder
hatte, die wie er in Dillingen, Ingolstadt und Wien Jura studierten.55
Christophorus
Scheitenberger
schrieb sich 1584 in der Universität Dillingen ein; seine
Herkunft wird im entsprechenden Matrikel leider nicht
angegeben.56 Seinen seinen Doktortitel im weltlichen und kirchlichen Recht
erwarb er
1597 im italienischen Perugia.57
Christoph Scheitenberger wird 1609 und 1612 urkundlich als
Oberamtmann des Klosters Rot im heutigen Rot an der Rot genannt.58
Von 1614 bis 1632 wurden Dr. Christoph Scheitenberger oder seine
Ehefrau in den Steuerbüchern der ehemaligen Reichsstadt Wangen
als
Bewohner des sich am Marktplatz befindlichen Hinderofen-Hauses
vermerkt.59
Es lassen sich höchstwahrscheinlich insgesamt vier Kinder von
Christoph Scheitenberger nachweisen. Am 12.12.1621 stirbt in Wangen
eine Margaretha Scheitenberger, bei der es sich um eine Tochter
Christophs gehandelt haben muss, da seine Frau in den
Totenbüchern
mit ihrem Mädchennamen genannt worden wäre.60
1626 schreibt sich zudem ein aus Wangen im Allgäu stammender
Michael
Scheitenberger an der Universität Dillingen ein, bei dem es
sich
sicher um einen Sohn Christoph Scheitenbergers und seiner Ehefrau
handelte.61
Eine weitere Tochter von Christoph Scheitenberger könnte
Ursula
Scheitenberger gewesen sein, die 1615, 1616 und 1618 in den
Taufbüchern der Stadt Wangen für Dorothea, Imentius
und Philippus
Epple als Taufpatin angeführt wird.62
Für den 12.06.1616 wird zudem in den Heiratsbüchern
der Stadt Wangen
die Hochzeit von Elsa Scheitenberger mit dem aus Ratzenried
stammenden Sebastian Reischmann angeführt.63
Hierbei könnte es sich ebenfalls um eine Tochter von Christoph
Scheitenberger gehandelt haben
Johann Scheitenberger, ein
weiterer Bruder von Thomas, schrieb sich wie sein Bruder ebenfalls
1587 als Student an der Universität Dillingen ein.64
Als sein Herkunftsort wurde hierbei ebenfalls Jettingen angegeben.65
Johann Scheitenberger trug sich wie sein Bruder Thomas 1603 mit
Wappen in Ingolstadt in das Stammbuch des Stephan Klingshirn ein
(Abb. 4).66
Ein Johann Scheitenberger wird auch für das Jahr 1601
urkundlich als
Pfleger der Fuggerherrschaft Glött erwähnt.67
Bei Dekan Johann Scheitenberger, der 1625, 1633, 1635, 1636, 1640 und
1641 urkundlich als Verwalter der Heiligen Kapelle zu
Altötting
genannt wird, handelt es sich mit hoher Sicherheit um den Bruder von
Thomas Scheitenberger.68
Johann Scheitenberger übersetzte in seiner Amtszeit als
Pfleger der
Kapelle in Altötting auch die von Jakob Irsing verfasste
Wallfahrtschronik in die deutsche Sprache.69
Johann Scheitenberger wurde auf dem Friedhof in Altötting
begraben,
wo 1905 noch sein Grabstein zu finden war.70
|
Abb. 4
Eintrag des Johann Scheitenberger im Stammbuch des Stephan Klingshirn
in Ingolstadt, 1603
Staatsbibliothek
Bamberg Msc. Hist.175, fol.205r |
Aufgrund der
Ähnlichkeit der
Wappen von Philipp Scheitenberger mit denen von Thomas, Johann und
Christoph Scheitenberger liegt es nahe, dass hier ebenfalls ein
Verwandtschaftsverhältnis bestand. Das Wappen des Philipp
Scheitenberger, das ebenfalls im Augsburger Wappenbuch von Zimmermann
abgebildet ist, war genauso gestaltet wie das von Thomas, jedoch
waren hier Äste mit Lilienknospen an den Spitzen Bestandteile
des
Wappenbildes.71
Somit liegt es nahe, dass Thomas und Philipp Scheitenberger vermutlich
Cousins waren, und daher der 1539 von Kaiser Karl dem V. mit diesem
Wappen beschenkte Gallus Schittenberger ein gemeinsamer Vorfahre von ihnen war. Die Variation in Philipp Scheitenbergers Wappen
könnte
damit zusammenhängen, dass er im Rahmen seiner Dienste als
Leibsekretär bzw. Rat der Augsburger Grafen zu Fugger von der
Lilie
entweder eine Wappenmehrung zugesprochen bekam oder sein Wappen im
Hinblick auf die Gestaltung des Wappens seiner Dienstherren
anpasste.72
Philipp Scheitenberger heiratete in zweiter Ehe am 27.05.1620 in
Augsburg die aus Feldkirch in Vorarlberg stammende Perpetua Prokh.73
Auch Philipp Scheitenberger nahm ab 1579 sein Studium an der
Universität Dillingen auf.74
Weitere Lebens- und
Berufsstationen von Thomas Scheitenberger
Thomas Scheitenberger verließ
1632 Kißlegg, so wie auch sein Bruder Christophorus
Scheitenberger
ab 1632 nicht mehr in den Steuerbüchern der Stadt Wangen
auftaucht.
Mit großer Sicherheit hing dies zusammen mit einer Pestwelle,
die
von 1632 bis 1635 neben Kißlegg und Wangen auch die gesamte
umliegende Region getroffen hatte.75
Vermutlich waren Thomas und Christoph mit ihren Familien vor der
grassierenden Pest geflüchtet.
Nach Auskunft einer Archivarin
des Stadtarchivs Augsburg ist zu Thomas Scheitenbergers weiterem
Lebensweg bekannt, dass er ein Bürgerrecht zu Zusmarshausen in
direkter Nachbarschaft Jettingens besaß.76
Aus diesem Schreiben geht auch hervor, dass Thomas Scheitenberger
1639/41 urkundlich als Augsburger Pfleger zu Schwabmünchen und
1641
als Richter des Augsburger Domkapitels zu Langerringen bei
Schwabmünchen erwähnt wird.77
Schlussbetrachtung
Die Geschichte des ehemaligen
Vogtes des Baumgartischen Teils der Herrschaft Kißlegg steht
exemplarisch für den Bildungsweg und das Leben eines
herrschaftlichen Verwaltungsbeamten in der Zeit zum Ende des 16. bis
zur Mitte des 17. Jahrhunderts.
Ausbildung, Beruf und
gesellschaftlicher Stand wurden seit der Zeit Gallus Schittenbergers
durch Wappenverleihung und Standeserhöhung von Seiten Kaiser
Karls V.
zudem auch generationenübergreifend festgeschrieben. Hierdurch
wurde
die Entstehung einer Familiendynastie von kirchlichen und weltlichen
Beamten und Juristen des 16. und 17. Jahrhunderts staatlich
mitbegründet und gefördert.
Eingebettet in die Geschichte
und Lebensbedingungen seiner Zeit wird die Biographie des ehemaligen
Kißlegger Vogtes Scheitenberger ein Zeugnis der Vergangenheit
unserer Ortschaft, die hierdurch zudem in ein weiteres
historisch-räumliches Bezugsfeld eingebettet wird.
Philipp Scheitenberger,
Kißlegg
15.12.2019
______________________________________________________________________
Anmerkungen
1 Mehrle,
Paul-Dieter: Die
Strafrechtspflege in der Herrschaft Kißlegg. Von den
Anfängen bis zum Jahre 1633. Pfullingen 1961, S. 48f.
3 Stephan Klingshirn war
zu dieser Zeit Hofmeister zweier in Ingolstadt ansässiger
Freiherren von Fugger. Vgl. Leitschuh, Friedrich: Katalog der
Handschriften der Königlichen Bibliothek zu Bamberg. Bd 1,
Abt. 2. Lfg. 2. Wiesbaden 1966, S. 278.
4 Österreichisches
Staatsarchiv, ÖSTA-2057755/02-AVAFHKA.
7 Zimmermann,
Eduard:
Augsburger Zeichen und Wappen. Augsburg 1970, Tafel 103, Abb. 3080.
Ebd.,
Tafel 114, Abb. 3389.
8 Staatsarchiv
Sigmaringen, Dep. 30/4 T 1, Nr. 253.
10 Herde, Simone:
Antwortschreiben auf Anfrage zu Scheitenbergern in Augsburg. Augsburg
2013.
14 Buck, M.R.:
Oberdeutsches Flurnamenbuch. Stuttgart 1880, S. 239.
18 Brechenmacher, Josef
Karlmann: Ethymologisches Wörterbuch der deutschen
Familiennamen. K-Z. Limburg 1957, S. 494f.
19 Hauptstaatsarchiv
Stuttgart, B 515, U 2246.
20 Zedler, Johann Heinrich:
Grosses Universal-Lexikon, aller Wissenschaften und Künste.
Neun und Vierzigster Band. Leipzig und Halle 1746, S. 1438ff.
21 Hauptstaatsarchiv
Stuttgart, B 522 I, U 944; B 486, U 328.
22 Specht, Thomas;
Schröder, Alfred: Die Matrikel der Universität
Dillingen. Band 1 1551 – 1645. Dillingen 1909, S. 163,
Matrikel 45.
24 Von Polnitz,
Götz: Die Matrikel der
Ludwig-Maximilians-Universität: Ingolstadt, Landshut,
München. 1,1. Teil 1, Ingolstadt; Bd. 1, 1472-1600.
München 1937, S.
25 Szaivert, Willy u.a.:
Die Matrikel der Universität Wien. 4. 1579/II –
1658/59. Graz 1974.
26 Mayer, Hermann: Die
Matrikel der Universität Freiburg im Breisgau. 1. 1,1. Von
1460 – 1656. Freiburg im Breisgau 1979.
27 Breit, Stefan:
Bayerisches Hauptstaatsarchiv. Reichskammergericht. Band 16. Nr. 6706
– 7308 (Buchstabe M). München 2009, S. 479f.
31 Staatsbibliothek
Stuttgart, Cod. hist. oct. 68.
32 Weber,
Georg
Michael: Handbuch des in Deutschland üblichen Lehenrechts nach
den Grundsätzen Georg Ludwig Böhmer´s.
Leipzig 1810, S. 50 f.
34 Museum im Bock,
Leutkirch; Wappenbrief Nicolaus, Urbanus und Johannes Walser von 1614.
35 Mehrle 1961, S. 48ff.
36
Rauh, Rudolf:
Systematische Übersicht über die Bestände
des Fürstl. von Waldburg-Zeil´schen Gesamtarchivs in
Schloß Zeil vor 1806 (1850). Archiv Kißlegg und
Archiv Ratzenried. Stuttgart 1953, S. 12ff.; Grimm,
Michael: Versuch einer historisch-statistischen Beschreibung
Kißleggs samt seiner Umgebung. Erweiterter Nachdruck der
Ausgabe Kißlegg 1864. Herausgegeben von Thomas Weiland.
Kißlegg 1994, S. 6-11.
37
Grimm 1994, S. 6-11.
38
Gesamtarchiv der
Fürsten zu Waldburg-Zeil-Trauchburg, ZAKi 238, 1175.
39
Mehrle 1961, S. 48f.
40
Ebd.
41
Ebd.
42
Gesamtarchiv der
Fürsten zu Waldburg-Zeil-Trauchburg, ZAKi 237, Brief von Anna
Beysler an Thomas Scheitenberger vom 18. März 1621.
47 Pfarrarchiv
Kißlegg, Taufbücher, Eintrag vom 10. März
1622 und Eintrag vom 18. Juli 1623.
49 Gesamtarchiv der
Fürsten zu Waldburg-Zeil-Trauchburg, ZAKi 237, Brief des
Schwagers an Thomas Scheitenberger wegen Einladung zur Hochzeit vom
12.10.1627.
52 Gesamtarchiv der
Fürsten zu Waldburg-Zeil-Trauchburg, ZAKi 239, Rechnungen zu
Ausgaben für Studium des Johann Scheitenberger ab 1624.
53 Specht;
Schröder 1909 (wie Anm. 22).
55 Specht;
Schröder 1909 (wie Anm. 22); Szaivert 1974; Polnitz 1937.
56 Specht;
Schröder 1909 (wie Anm. 22), S. 150, Matr.-Nr. 24 (04.
März 1584).
57 Weigle, Fritz: Die
Matrikel der Deutschen Nation in Perugia: (1579 – 1727);
ergänzt nach den Promotionsakten, den Consiliarwahllisten und
der Matrikel der Universität Perugia im Zeitraum 1489
– 1791. Tübingen 1956.
58 Hauptstaatsarchiv
Stuttgart, B 486 Bü 1592; B 486 Bü 872.
59 Stadtarchiv Wangen,
Steuerbücher des 17. Jahrhunderts.
60 Stadtarchiv Wangen,
Totenbücher der Pfarrei St. Martin, Eintrag vom 12.12.1621.
61 Specht;
Schröder 1909.
62 Stadtarchiv Wangen,
Taufbücher der Pfarrei St. Martin, Einträge vom
24.01.1615, vom 31.06.1616 und vom 24.08.1618.
63 Stadtarchiv Wangen,
Heiratsbücher der Pfarrei St. Martin, Eintrag vom 12.06.1616.
64 Specht;
Schröder 1909 (wie Anm. 22).
66 Leitschuh 1966, S. 278.
67 Hauptstaatsarchiv
Stuttgart, A 442 Bü 36.
68 Archiv des Bistums
Passau, Kapellarchiv Altötting, U282; U294; U295; U298; U301;
U305; U307.
69 Buchfelner, Simon: Die
Geschichte der Verehrung der gnadenreichen Jungfrau und Gottes Mutter
Maria zu Altenötting. Von ihrem Ursprung bis auf die neuesten
Ereignisse erzählt. Altenötting 1826, S. 107.
Irsing,
Jakob; Scheitenberger, Johann; Kilian, Wolfgang: Historia von der
weitberühmbten unser lieben Frawen Capell zu Alten-Oeting in
Nidern Bayrn. München 1660.
70 von Bezold, Gustav von;
Riehl, Berthold: Die Kunstdenkmale des Regierungsbezirkes Oberbayern.
Bezirksämter Mühldorf, Altötting, Laufen,
Berchtesgaden. Sach-, Künstler und Ortsregister zu Teil 13.
München 1905, S. 2355.
71 Zimmermann 1970, Tafel
114, Wappen 3389.
72 Vgl.:
Braumüller, Wilhelm: Quellenschriften zur Kunstgeschichte und
Kunsttechnik des Mittelalters und der Neuzeit. Band 10. Wien 1901, S.
33.
Zimmermann
1970, S. 970.
73 Lieb, Norbert: Die
Fugger und die Kunst. Regensburg 1952, S. 488.
74 Specht;
Schröder 1909 (wie Anm. 22).
75 Grimm 1994 (wie Anm.
36), S. 108.
76 Herde 2013 (wie Anm. 10).
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