Vor 1200
Jahren übertrug
Kißleggs Gründer seinen
Besitz
an die Abtei St. Gallen
Schwäbische Zeitung vom 4. Mai 1988
Kißlegg.
Genau 1200 Jahre sind vergangen, seit der Priester Ratpot aus
Leutkirch seine Besitztümer im Nibelgau dem in Oberschwaben
reich
begüterten Kloster St. Gallen übertrug. Am 4. Mai des
Jahres 788
wurde die Schenkung in Leutkirch, dem kirchlichen und gerichtlichen
Mittelpunkt der Grafschaft im Nibelgau,1
vor zwölf Zeugen beurkundet.2
Für Kißlegg, die von Ratpot begründete und
damals noch nach ihm
benannte Cella mit Siedlung, begann damit ein neuer, bedeutsamer
Zeitabschnitt seiner Geschichte. Der in den fünfziger Jahren
verstorbene Oberregierungsrat Richard Ernst hat diese Epoche in
seiner „Frühgeschichte von
Kißlegg“ eingehend untersucht und
ist zu interessanten Erkenntnissen gelangt.3
Richard Ernst (1872-1957)
Oberregierungsrat, Historiker
aus Ulm
Abb.: Gemeindearchiv Kißlegg
Als
die Alamannen in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts von
Norden
her unsere Gegend besiedelten, hatten sie die christliche Religion
wohl zum großen Teil bereits angenommen.4
Sie begründeten im heutigen Leutkirch eine Pfarr- oder
Leutekirche.5
Mehrere Priester waren hier neben dem „Erzpriester“
tätig. Es
handelte sich vor allem um sogenannte Leutpriester, also weltliche
Seelsorger, die sich zugleich als Schreiber von Urkunden, als Zeugen
und als Missionare betätigten.6
Mit der Zerschlagung des alamannischen Adels (727/746) und der
Einsetzung fränkischer Beamter als Grafen in den alten Gauen
forcierten die Franken auch die weitere Missionierung der Alamannen.
Sie begünstigten die Gründung von
„Zellen“, Missionsposten mit
Wohnung und Kirche, durch Zuweisung von Land an Priester,
Leutpriester und Mönche, die von hier aus die Nachbarschaft
pastorieren konnten.7
Auch Geistliche der Martinskirche zu Leutkirch begründeten
solche
Zellen im Nibelgau, wie etwa die „Hupoldescella“,
das heutige
Frauenzell, die Zelle des 860 genannten Priesters Hupold.8
Ein
weiterer Leutkircher Priester, der eine Zelle errichtete, war Ratpot,
von dem wir erstmals in einer Urkunde von 766, der ältesten
des
Nibelgaues, hören.9
Damals trat er als Zeuge bei einem Vertrag zwischen dem Kloster St.
Gallen und den Söhnen eines Marulf auf. Kurze Zeit
später, wohl zu
Beginn des letzten Viertels des 8. Jahrhunderts, scheint Ratpot die
Cella am Ufer des Untersees, 15 Kilometer westlich von Leutkirch,
gegründet zu haben.10Der Untersee heißt heute Zeller See; an ihn
schließt sich jetzt der
Marktflecken Kißlegg an. Das für die
Gründung der Zelle
erforderliche Areal befand sich im Besitz Ratpots.11
Vermutlich trat er bald darauf Land an nachfolgende Siedler ab, die
ihre Höfe und Häuser um die Zelle herum erstellten.
Ein kleiner
Weiler war entstanden, in dem die Zelle nun die Stellung eines
Herrenhofes einnahm. Damit hatte sie gewisse Rechte gegenüber
den nach
und nach neu geschaffenen Höfen;
doch es erscheint zweifelhaft, ob die gesamte Markung der Cella auch
zur Grundherrschaft des Ratpot gehörte, denn noch im 9.
Jahrhundert
besaßen Bauern freies Eigentum innerhalb der Markungsgrenzen.
Das
Verhältnis dieser Freien zur Cella ist nicht geklärt.12
Andererseits
ging der Besitz Ratpots weit über die Markungsgrenzen hinaus;
große
Teile befanden sich möglicherweise bei Leutkirch. Am Sonntag,
4. Mai
des Jahres 788, „im 20. Jahr der Regierung unseres
ruhmreichen
Herrn Carl, Königs der Franken“ (Karls des
Großen) übergab
Ratpot den gesamten Besitz dem Kloster St. Gallen.13
Die Schenkung von eigenem Grundbesitz an ein Kloster (in unserer
Gegend meist an St. Gallen), das dem Schenker das Land zur
Bewirtschaftung als Leihegut zurückgab (precaria oblata), war
damals
eine weit verbreitete Praxis.14
Die Beweggründe waren vielfältig; die Befreiung vom
Heeresdienst
und der Schutz durch den neuen Herrn, aber auch die Sorge um das
eigene Seelenheil mögen eine Rolle gespielt haben:
„Möge es bei
jedem so weit kommen, dass er mit den Ohren höre und mit der
Tat
erfülle, was der Herr mit eigenem Munde ausgesprochen hat,
indem er
sagte: Gebet, und es wird euch gegeben werden und wiederum: Gebet
Almosen und alle Welt gehört euch.“
Der Priester Ratpot überträgt dem Kloster St.Gallen für sein Seelenheil seinen Besitz im Nibelgau bzw. Leutkirch.
So
beginnt die 1200 Jahre alte Schenkungsurkunde. Anschließend
an die
allgemein gehaltene Einleitung wird der Besitz Ratpots beschrieben:
„Ich
(Ratpot) übergebe daher an das Kloster des Hl. Gallus ...
alles, was
ich am heutigen Tag in Nibulgauia besitze, mit Ausnahme des
Kirchenlandes und einiger Jauchart, über die ich die Nachbarn
und
die Abgesandten jenes Klosters geführt habe; das
übrige gebe ich
... an jenes Kloster zu dauerndem Besitz, nämlich
Gebäude,
Ländereien, Wohnhäuser, Felder, Wiesen,
Wälder, Wege, Gewässer
und Wasserabläufe, Bewegliches und Unbewegliches, Angebautes
und
Nichtangebautes; und folgende Hörige: Fruahanolf, Zilla,
Lantheri,
Willibold, Lanthilt, Tetta, Totocha, Emhilt, Cozhilt … und
in
gleicher Weise einen Weiler, den ich mit meinen eigenen
Händen geschaffen habe, oder was alles ich dort noch werde
erarbeiten können; aber mit der Maßgabe, dass ich
Zeit meines
Lebens jene Sachen wieder an mich nehme und dafür einen
jährlichen
Zins leiste…“
Die
Frage, ob sich die beschriebenen Güter auch auf die Markung
der
Cella des Ratpot beziehen, läßt sich nicht mit
Sicherheit lösen.15
Sicher
nicht in oder in unmittelbarer Nähe von Leutkirch wird der
Weiler zu
suchen sein, den Ratpot mit seinen eigenen Händen geschaffen
hat.
Dass Ratpot neben seiner Cella und der zugehörigen Ortschaft
–
beides 824 erstmals unter dem Namen Ratpoticella erwähnt
– noch
einen weiteren Weiler geschaffen hat, erscheint unwahrscheinlich. So
dürfen wir mit ziemlicher Sicherheit annehmen, dass der 788
genannte, von Ratpot gegründete Weiler mit dem
späteren Ort
Ratpoticella identisch ist. Dass nun das im 9. Jahrhundert wiederholt
erwähnte Ratpoticella mit dem heutigen Ort Kißlegg
identisch ist,
hat bereits Dr. Baumann vor rund 100 Jahren nachgewiesen.16
Man könnte sich daher die Frage stellen, ob es schon in diesem
Jahr
[1988] angebracht wäre, das 1200jährige Bestehen
Kißleggs zu
feiern. Hierzu ist zu bemerken, dass Zelle und Ort auf jeden Fall um
788 – sehr wahrscheinlich schon vorher – entstanden
waren.17
Ein genaues Gründungsjahr ist also ohnehin nicht feststellbar.
Im
Jahr 788 wird der Besitz des Gründers genannt und wohl auch
die
Gründung selbst – das
„Kirchenland“ und der Weiler –aber
eben nicht namentlich. Erst 824 lernen wir dann den Namen jener
Gründung kennen: Ratpoticella.18
Siedler bei der Rodungsarbeit
Miniatur aus dem 11. Jahrhundert
Die
weitere Entwicklung der Siedlung ging nun rasch voran. Im 9.
Jahrhundert erhielt das Kloster den bereits erwähnten Besitz
weiterer freier Bauern in der Markung Ratpoticella (824, 848).19
Im Jahre 861 befand sich die Cella nachweislich im Besitz St.
Gallens.20
Das Kloster baute zur Verwaltung des Grundbesitzes im westlichen
Nibelgau nun einen Fronhof (Herrenhof) in Ratpoticella auf. An der
Spitze stand als Verwalter der Meier (villicus),
der den von Leibeigenen und Knechten geführten eigenen
Wirtschaftsbetrieb des Herrenhofs (Salland) leitete und gleichzeitig
Abgaben der hörigen Grundholden (Halbfreie) in den umliegenden
Höfen
eintrieb und ihnen Frondienste beim Herrenhof abverlangte.21
Ratpots
Kirchlein war 868 dem Heiligen Martin geweiht und unterstand 849 dem
Priester Landpret (849).22
Die Pfarrei war entstanden.23
Erst später wurde - wohl wegen der Zugehörigkeit zu
St. Gallen -
der Heilige Gallus Kirchenpatron. 1135 war das Meieramt in Cella
–
der „Ratpot“ im Ortsnamen war bereits abgestreift
– schon in
der Hand einer Grundherrenfamilie, die seit dem 9. Jahrhundert
nordwestlich von Ratpoticella einen Herrenhof führte und sich
nach
einem ihrer Gründer namens Kisilolt (Kisilhar, Kisalfried)
bald „de
Kisilegge“ nannte und in den Ritterstand aufstieg.24
Durch den Einfluß dieser Familie wurde der Name Zell
verdrängt;
1353 hieß der Ort Kißleggzell,25
und seit dem 16. Jahrhundert sprach man endgültig vom
Marktflecken
Kißlegg. Nur der Zeller See bewahrt bis heute in seinem Namen
die
geschichtlichen Ursprünge unseres Ortes.
Thomas
Weiland
Zu
dem vor nunmehr 35 Jahren erschienenen Zeitungsartikel erscheint es
mir sinnvoll, die damals verwendeten Quellen in Form von Endnoten
zu den
einzelnen Aussagen zu ergänzen und letztere darüber
hinaus mit der neueren Forschung detalliert abzugleichen bzw. zu
diskutieren. Ich möchte den Leser ermuntern, die Anmerkungen
jeweils mit zu lesen, weil sich manche Frage vielleicht klärt,
manche Aussage von damals aber auch relativiert wird. TW
2 Stiftsarchiv St.
Gallen, Privaturkunden, I 102. Transkription in Wartmann, Band I, S.
110 f. (Nr. 117).
3 Richard Ernst
(1872-1957), gebürtig aus Ulm, 1920-1925 Oberamtmann des
Oberamtsbezirks Wangen, 1925 Regierungsrat in der Verwaltung des
Inneren in Stuttgart, 1926-1937 Oberregierungsrat beim Verwaltungsrat
der Gebäudebrandversicherungsanstalt in Stuttgart. Richard
Ernst lebte als Evakuierter vom Mai 1944 bis 1950 in Kißlegg.
Er war Neffe des Historikers Prof. Dr. Viktor Ernst (1871-1933).
4 Ernst, S. 16 und S. 33;
siehe auch Oberholzer, Eigenkirchenwesen, S. 35; ebenso De
Kegel-Schorer, S. 37 f.
5 Ernst S. 33; sie habe
zunächst das alleinige Taufrecht im Gau besessen, und sei, wie
die meisten, auf fränkischen Einfluss zurückgehenden
Urkirchen, dem hl. Martin geweiht gewesen. Die neuere Forschung geht
noch weiter, sie spricht nicht nur von fränkischem Einfluss,
sondern davon, dass es sich, wie zu jener Zeit häufig, auch
bei der St.-Martins-Kirche Leutkirch (797 erstmals als Martinskirche
erwähnt) wohl um eine königliche Eigenkirche
handelte, die von einem Beauftragten des Königs erstellt
worden sein könnte, im Gegensatz zu einer nach
römisch-kirchlichem Muster installierten Pfarrkirche oder
einer genossenschaftlichen Kirchengründung.
Öffentlich, "Leutekirche" (860: ecclesia publica,
Stiftsarchiv
St. Gallen, Privaturkunden, III 233), könne sie trotzdem
gewesen sein: De Kegel-Schorer, S. 36.
6 Über die
Leutpriester und Erzpriester siehe Ernst, S. 33, und Baumann, Gesch.
des Allgäus Band I, S. 103.
7 Ernst, S. 33 und S. 40; denfränkischen
Einfluss bestätigen auch Oberholzer, S. 227
und De Kegel-Schorer, S. 36 f.
8 Ernst, S. 40;
Stiftsarchiv St. Gallen, Privaturkunden, III 241. Zu den rodenden
und/oder Zellen gründenden Priestern im Nibelgau
zählt Schneider, S. 256, neben Ratpot die Priester Hupold
(Hupoldescella, gedeutet als das heutige Frauenzell), Cunzo (Karbach),
Landpreht (Besitz in Ratpoticella; siehe Anm. 12) und Meginbert (cella
Meginberti; dieser hatte Besitz in Sconinperac; Schönenberg
bei Kißlegg?).
Zur
Verwendung des Begriffs "Zelle" nicht nur für die
Mönchszelle, sondern auch für Missions- und
Pastorationsstationen von Leutpriestern siehe ausführlich
Baumann, Gesch. des Allgäus, Band I, S. 99f.
9 Stiftsarchiv St. Gallen,
Privaturkunden, Bremen 11. Transkription in Wartmann, Band I, S. 49 f.
(Nr. 49).
10 Ernst, S. 35.
Begründet wird die Datierung mit den Funktionen, in denen
Ratpot in den drei Urkunden von 766, 788 und 812 erscheint:
zunächst als Priester und Zeuge 766, vielleicht im Alter von
etwa 30 Jahren, dann als Priester und Tradent seiner Güter im
Jahr 788, was einen gewissen „Abschluss“ seiner
aktiven Tätigkeit markiert haben könnte; vielleicht
als Mittfünfziger, auch wenn er noch an den weiteren Ausbau
seiner Siedlung dachte, und zuletzt als Verfasser einer Urkunde im Jahr
812 in einem Alter von etwa 75 Jahren. Plausibel, aber
durchaus etwas gewagt, erscheint die Annahme, dass alle drei Priester
Ratpot ein und dieselbe Person gewesen seien: eigene Auffassung TW 2023.
11 Ratpot hatte es wohl,
wie gesagt, von fränkischer Seite erhalten; Ernst S. 40.
12 Ernst S. 36, 40 f. und 44:
„… man wird sich bezüglich der Frage der
Beziehungen der cella zu dem Anwesen des Landpret mit einem non liquet abfinden
müssen.“
15 Richard Ernst verweist (S.
33) darauf, dass "in
Nibulgauia“ zweierlei bedeuten kann: den Gau selbst, aber
auch den Hauptort des Gaus, Leutkirch. Zu jener Zeit waren zwei Namen
für diesen Hauptort üblich: villa Nibulgauva (und Varianten) und Ufhova (Aufhofen). Wenn
mit „Nibelgau“ der Gau oder die den geschlossenen
Ort Leutkirch umgebende Markung gemeint war, so fügte
der jeweilige Schreiber der Urkunde häufig die Worte marcha (Markung) oder pagus (Gau) bei, im
Gegensatz zum
Bestimmungswortvilla beim Ort Leutkirch.
In besagter Urkunde von 788 fehlen diese Bezeichnungen ganz, sodass beide
Möglichkeiten offen bleiben. Wäre mit
dem Besitz Ratpots „in Nibulgauia“ Besitz im Gau
gemeint, so könne, meint R. Ernst, auch die Zelle inbegriffen
sein. Dafür spreche
die
Erwähnung des „Kirchenlandes“, das Ratpot
von der Schenkung ausnimmt. Die Kirche in Leutkirch sei herrschaftlich; sie
könne damit nicht gemeint
gewesen sein. Außerdem dürfte damals noch kein
Bedürfnis für eine weitere Kirche in Leutkirch
bestanden haben. Wahrscheinlicher sei, dass das
„Kirchenland“ die Grundstücke bei der
Cella bezeichne. Bradler und Schneider verorten die terra ecclesiastica
in oder bei Leutkirch, als der dortigen Leutekirche oder
königlichen Eigenkirche St. Martin zugehörig; so auch
DeKegel-Schorer, S. 37 Anm. 37: Die terra
ecclesiastica aus dem Besitz des Priesters Ratpot müsse
nicht auf dessen Herkunft aus der Sippe eines Eigenkirchenherrn
hinweisen, er könne sie auch als
(königliche) Benefizialleihe innegehabt haben, so auch Bradler,
Landschaftsnamen, S. 70 und Ministerialität, S. 98. Ebenso
Schneider (S. 237): mit der terra
ecclesiastica sei zur Ausstattung der Leutkircher Martinskirche
gehörendes, dem Tradenten als Leihgut (Prekarie), nicht als
Eigentum überlassenes Land gemeint
gewesen.
16 Den Nachweis, dass
Ratpoticella die Keimzelle des heutigen Kißlegg darstellt,
führte Franz Ludwig Baumann offenbar mit der Urkunde
Stiftsarchiv St. Gallen, Privaturkunden, III 174 vom 24./22. Mai
847/848,
einer Tauschurkunde, mit der Reginbold mit seinen Söhnen von
ihm erworbenen und erarbeiteten Besitz im Gebiet von Ratpoticella, inter
Zuzzes et Luitirinsehes Pahc gegen Besitz des
Klosters St. Gallen in Enenhoven und bei Leutkirch
eintauscht. Baumann nahm an, dass Zuzzes in
„Zaisenhofen“ weiter lebt und mit
„Lauterseebach“ der Bach des Lautersees
südwestlich von Kißlegg gemeint ist: Gaugrafschaften, S.
36. Der Lauterseebach ist allerdings kein markantes Gewässer.
Gütter (Schreiben an das Gemeindearchiv Kißlegg von
2003) bestreitet den etymologischen Zusammenhang von
„Zuzzes“ und dem in
„Zaisenhofen“ steckenden Personennamen
„Zeizzo“. Allerdings geht er davon aus, dass Luitirinsehes
Pahc eindeutig mit Lautersee bei Kißlegg
identifiziert werden kann; es gebe schlichtweg keinen anderen Ort
dieses Namens.
Es bleibt ein
Fragezeichen: ist „Ratpoti Cella“ wirklich mit dem
hoch- und spätmittelalterlichen „Zell bei
Kißlegg“, dem heutigen Kißlegg,
identisch? Es wird, mindestens so lange ergänzende
archäologische Befunde nicht vorhanden sind, nicht eindeutig
zu klären sein. So lange muss es heißen: nach
heutigem Forschungsstand ist der Ort
Ratpoticella in dem späteren "Zell im Markt" und heutigen
Kißlegg aufgegangen: eigene Auffassung Thomas Weiland 2023.
18 Borgolte,
Grafschaften Alemanniens, S. 176, und Schneider, S. 238
bestätigen die Annahme, dass der 788 tradierte Weiler des
Ratpot und der ab 824 genannte Weiler Ratpoticella wohl ein und
denselben Ort darstellen, Oberholzer, S. 226, schließt sich
dieser Meinung an.
19 Ernst, S. 40 f.;
Schneider, S. 239;
Stiftsarchiv St. Gallen, Privaturkunden, II 52 und II 55 (beide von
824) und III 174 (von 847/848).
20 Wartmann, Band III, S.
98, Nr. 482 (Urkunde von 861, nicht mehr vorhanden!): Wolaliub gibt
zwei Hörige frei unter der Bedingung, dass sie
jährlich der Zelle Ratpots, welche zum Kloster St. Gallen
gehört, 4 Denar Zins entrichten.
22 Stiftsarchiv St.
Gallen, Privaturkunden, Bremen 26 und III 300; Ernst, S. 36 f. und
Oberholzer, S. 227.
23 Hierzu auch Erhart
etc., S. 40 und 74 ff.: Schenkungen an das Kloster St. Gallen waren in
zwei dokumentierten Fällen 826/828 und 849 mit Gegenleistungen
in Form einer Unterhaltsverpflichtung in der cella Ratpoti verbunden
(826/828: Nahrung und Kleidung, wie sie einem Mönch
gebührt, für die Tradentin Rachilt und auf Wunsch
auch für ihre Mutter; 849: Wohnplatz und
Mönchspfründe bei Verzicht auf die
Nutznießung des von Priester Landpreht an St. Gallen
tradierten Gutes für dessen Nichte Diotpirc). "Über
den Charakter von Ratpots Gründung lässt sich kaum
etwas aussagen, doch muss sie neben Wohn- und Wirtschaftsbauten einen
Sakralbau umfasst haben." Siehe Stiftsarchiv St. Gallen, Privaturkunden, II 82 und
Bremen 26.
24 Ernst, S. 51;
Stiftsarchiv St. Gallen, FF III. T. 1
Baumann, Franz
Ludwig: Die Gaugrafschaften im Wirtembergischen Schwaben. Ein Beitrag
zur historischen Geographie Deutschlands. Stuttgart (Kohlhammer) 1879.
Baumann, Franz
Ludwig: Geschichte des Allgäus. Band I: Von der
ältesten Zeit bis zur Zeit der schwäbischen
Herzöge (1268). Kempten (Kösel) 1883.
Borgolte, Michael:
Geschichte der Grafschaften Alemanniens in fränkischer Zeit
(Vorträge und Forschungen, Sonderband 31), Sigmaringen 1984.
Bradler,
Günther: Studien zur Geschichte der Ministerialität
im Allgäu und in Oberschwaben (Göppinger akademische
Beiträge 50), Göppingen 1973.
ders.: Die
Landschaftsnamen Allgäu und Oberschwaben in geographischer und
historischer Sicht (Göppinger akademische Beiträge
77). Göppingen 1973.
De Kegel-Schorer,
Catherine: Die Freien auf Leutkircher Heide. Urspung, Ausformung und
Erosion einer oberdeutschen Freibauerngenossenschaft. Oberschwaben -
Geschichte und Kultur Band 16. Epfendorf (bibliotheca academica Verlag)
2007.
Erhart, Peter;
Kuratli Hüeblin, Jakob; Moeschlin, Kathrin (Hg.): vvaldo V:
Katalog zur Jahresausstellung 2023. Lindenberg (Kunstverlag Josef Fink)
2023.
Ernst, Richard: Zur
Frühgeschichte von Kißlegg. Von der ersten
menschlichen Siedlung bis zur Übernahme der Herrschaft
Kißlegg durch die Herren von Schellenberg. Beiträge
zur Geschichte Kißleggs, Band I. Kißlegg
(Selbstverlag des Heimatvereins) 1988.
Gütter,
Adolf: Schreiben an das Gemeindearchiv Kißlegg von 2003 zur
Deutung der Ortsnamen Zuzzes und Liutirinsehespahc.
Haid, Wilhelm:
Liber taxationis (et Liber marcarum) ecclesiarum et beneficiorum in
diocesi Constantiensi de anno 1353. In: Freiburger
Diözesan-Archiv 5 (1870)
Oberholzer, Paul:
Vom Eigenkirchenwesen zum Patronatsrecht. Leutekirchen des Klosters St.
Gallen im Früh- und Hochmittelalter. St. Gallen 2002.
Schneider, Wilhelm:
Der Erwerb und Ausbau der Ratpoti cella (Kißlegg) durch das
Kloster St. Gallen. In: Wilhelm Schneider: Arbeiten zur Alamannischen
Frühgeschichte. Tübingen 1991.
Wartmann, Hermann:
Urkundenbuch der Abtei St. Gallen. Zürich, ab 1863.