200 Jahre
Gemeinde Kißlegg - Einführung in ein vielschichtiges
Jubiläum
Die
Gemeinde Kißlegg feiert im Jahr 2020 ihr 200jähriges
Jubiläum.
Damit verbunden sind weitere runde „Geburtstage“,
etwa der
Anschluss Kißleggs an das Eisenbahnnetz vor 150 Jahren und
der
Baubeginn zum Lückenschluss der Bundesautobahn A96 zwischen
Dürren
und Leutkirch vor 15 Jahren, die Gründung des
Naturkindergartens vor
15 Jahren sowie mehrere Vereins- und Firmenjubiläen.
200
Jahre Gemeinde Kißlegg? Kißlegg ist doch wesentlich
älter! Am Ende
des 8. Jahrhunderts von dem Priester Ratpot als Zelle mit Wohnung und
Kirche gegründet, wird der Ort bereits im Jahr 824 in zwei
Urkunden
des Klosters St. Gallen unter dem Namen
„Ratpoticella“ erstmals
erwähnt und bildet fortan als Standort eines Maierhofs ein
Zentrum
der Besitzungen des Klosters im damaligen
„Nibelgau“.
Eine
adlige Familie übernimmt in späteren Jahrhunderten
die Aufsicht
über den Maierhof und überträgt nach und
nach den Namen ihrer Burg
und ihrer Familie auf den Ort: „Kisilegge“. 1394
werden die
Nachfolger der Kißlegger, die Herren von Schellenberg, von
König
Wenzel mit dem Marktrecht und der hohen und niederen Gerichtsbarkeit
privilegiert. Sie können nun daran gehen, ein eigenes, wenn
auch
sehr kleines, reichsunmittelbares Territorium zu formen, das
später
Teil der Reichsritterschaft, Kanton Hegau-Allgäu-Bodensee,
wird.
Kißlegg wird zum „Flecken“, einer
rechtlich und wirtschaftlich
zwischen dem Dorf und der Stadt stehenden Ansiedlung, in der sich
Handel und Handwerk für den Ort und sein Umland entwickeln
können.
1381
teilen die Schellenberger ihren Besitz in zwei Hälften,
behalten
aber in den wesentlichen Bereichen der Verwaltung und der
Gerichtsbarkeit eine gemeinsame Herrschaft bei. Manches entsteht
jetzt aber zweifach: Zwei Schlösser, zwei Amtshäuser,
zwei
Spitäler, zwei Leprosen- und Armenhäuser, je zwei
Tafernwirtschaften und sogar zwei Tanzhäuser.
Die Teilung ist für die Bevölkerung, die Untertanen,
spürbar:
Nachbarn im gleichen Weiler haben unterschiedliche Grund- und
Leibherren, liefern Natural- und Geldabgaben an unterschiedliche
Rentämter oder Kirchenpflegen, bekommen die Erlaubnis zur
Heirat von
unterschiedlichen herrschaftlichen Oberämtern oder erhalten in
der
Not Hilfe von zweierlei Stiftungen und Einrichtungen.
Im
15. und 16. Jahrhundert, auch im Rahmen der allgemein auftretenden
bäuerlichen Proteste, entsteht dann auch in Kißlegg
die
„Landschaft“, der korporative Verband der
Untertanen zur Regelung
gemeinsamer Aufgaben untereinander und gegenüber der
Herrschaft. In
Kißlegg eben doppelt: für jede
Herrschaftshälfte eine eigene
Landschaft mit eigenem Vorsteher, eigenen Hauptleuten und nicht
zuletzt einer je eigenen Kasse; alles streng reglementiert und
überwacht durch die jeweiligen herrschaftlichen Beamten.
Und
auch eine kleinere Organisationseinheit besteht im Jahr 1820, vor 200
Jahren, bereits seit Menschengedenken: die
„Gemeinde“. Die
Gemeinde des Fleckens Kißlegg, aber auch die Gemeinden der
Dörfer
und Weiler der Herrschaft in der Form der bäuerlichen
Flurgemeinde.
Sie regelt die Ordnung der Flur in der Dreifelderwirtschaft, die
gemeinsame Viehweide und die damit verbundenen Hirtendienste, den
Schutz der Feldflur gegen Wildtiere und beim Viehtrieb sowie die
Instandhaltung der Brunnen und der Wege im Flecken und zwischen den
Feldern.
200
Jahre Gemeinde Kißlegg? Es wird deutlich – dieses
Jubiläum bedarf
der Erläuterung.
Das
Jahr 1820 war ein Jahr, in dem die Bevölkerung auf eine Zeit
großer
wirtschaftlicher Not nach Krieg und Naturkatastrophe
zurückblickte,
auf eine Zeit der Entbehrungen und der Epidemien und Krankheiten.
Nicht zuletzt auch auf eine Zeit gewaltiger politischer
Umbrüche,
die mit den Revolutionskriegen 1792 begonnen hatte, 1806 das Ende des
alten Kaiserreichs und den Anschluss Kißleggs an das
neugebildete
Königreich Württemberg brachte und nach vielerlei
teilweise
widersprüchlichen Organisationsversuchen des neuen Staates
schließlich 1819 mit dem Inkrafttreten der Verfassung des
fortschrittlichen Königs Wilhelm ihren Abschluss fand.
Gemeinsam mit
einem einschlägigen Edikt des Königs
bestimmte die Verfassung die einheitliche Bildung der
Oberämter und
Gemeinden im Königreich, legte fest, wer in den jeweiligen
Einheiten
welche Aufgaben zu erfüllen hatte und welche Kompetenzen
erhalten
sollte. Nicht zuletzt wurde bestimmt, wer darüber zu
entscheiden
hatte, welche Personen als Amtsträger die Aufgaben in
Gemeinden und
Oberämtern übernehmen sollten. Große
Amtsbezirke wurden
aufgeteilt; kleine zusammengelegt, einzelne Weiler neu zugeteilt,
manches Mal – wie im Flecken Kißlegg –
die alten Flurgemeinden
in die neuen Gemeinden integriert.
Was
war das Neue? Hatten nicht die Kißlegger schon seit alter
Zeit ihre
jährliche Gemeindeversammlung am Vorabend des St. Martinstags
abgehalten, wie die Gemeindeordnung aus dem Jahr 1720 (auch ein
Jubiläum!) berichtet, und darin über den Haushalt und
die Vergabe
der dörflichen Ämter beraten und entschieden?
Das neue war die zunächst die Aufteilung: Die beiden aus den
Zeiten
der Herrschaft Kißlegg bis dahin erhalten gebliebenen
Landschaften,
kurzzeitig von der Klammer einer
„Oberschultheißerei“
zusammengefasst, wurden aufgelöst, das Gebiet in sechs
voneinander
unabhängige Gemeinden aufgeteilt
(Emmelhofen, Immenried, Kißlegg, Samisweiler, Sommersried und
Wiggenreute; Waltershofen war nach kurzem bayerischen Intermezzo
bereits 1810 zu einer eigenen württembergischen
Schultheißerei
geworden). Ebenso aufgeteilt wurde die Finanzierung der Aufgaben der
bisherigen Landschaften: Unterhalt der Straßen und
Brücken,
Beiträge für die Schulen, für die
Feuerlöschanstalt, für die
Tätigkeit des Wasenmeisters und für die Hebamme und
vieles mehr.
Und in Kißlegg selbst bezog man die Aufgaben der uralten
(Flur-)
Gemeinde des Fleckens in die „neue“ Gemeinde mit
ein.
Dann
beinhaltete die Reform etwas Entscheidendes: die steuerzahlenden,
männlichen, über 25 Jahre alten Bürger der
Gemeinden sollten in
Wahlen ihr Oberhaupt, den Schultheißen, der vorgesetzten
Behörde
vorschlagen und zwei verwaltende bzw. kontrollierende Gremien, den
Gemeinderat und den Bürgerausschuss, bestimmen können.
Die Stimme des Wählers war gewichtet nach der Höhe
seiner
Steuerzahlung; Einwohner ohne Bürgerrecht (die sog.
„Beisitzer“)
und die Frauen blieben ausgeschlossen. Schultheißen wurden
auf
Lebenszeit gewählt (erst ab 1907 auf 10 Jahre begrenzt),
Gemeinderäte ab einer ersten Wiederwahl nach 2 Jahren
ebenfalls auf
Lebenszeit (bis 1849).
Nach
einer Phase, die durch eine von oben verordnete bürokratische
Ministerialverfassung geprägt war,
hatten die Gemeinden in Württemberg mit der neuen
Gemeindeverfassung nun ein Recht auf die eigenständige
Verwaltung
vieler Bereiche erhalten. Sie übten
Verwaltungstätigkeiten aus,
waren aber auch mit der freiwilligen, teilweise sogar der streitigen
Gerichtsbarkeit befasst.
Eine
gewisse Einschränkung der Eigenständigkeit und
Selbstverwaltung
stellte die vom Wiener Kongress 1815 verfügte
Rückgabe der
Patrimonialgerichtsbarkeit (der erstinstanzlichen
Zuständigkeit in
Zivil-, Straf- und Forstsachen und des Polizeiwesens in den
Dörfern
und Märkten)
an den standesherrlichen Adel dar. Kißlegg und die
abgetrennten
Landgemeinden bildeten zusammen mit Prassberg und Leupolz die
Waldburg-Wolfegg‘sche (teils mit Waldburg-Wurzach
gemeinschaftliche) „Vogtei Kißlegg“ und
waren statt direkt dem
Oberamt zunächst dem „Königlich
Württembergischen Fürstlich
Waldburg-Wolfegg‘schen Bezirksamt Wolfegg“
zugeordnet. Auf die
Einrichtung eigener Gerichte übte das Haus Waldburg Verzicht,
hingegen lag die Bestimmung des Schultheißen aus dem
Wahlvorschlag
der Gemeindebürger in der Entscheidungsgewalt des
Fürsten von
Wolfegg – bis zur Revolution von 1848.
Der
Gemeinderat, der in Kißlegg wie auch in den umliegenden
Landgemeinden aus sieben Mitgliedern bestand, und seine
Ausschüsse
(„Deputationen“) regelten z. B. die Anstellung und
Besoldung der
Gemeindebediensteten, legten die Gemeindeumlage, die Schulgelder und
die Schullöhne fest, bestimmten über den Kauf und
Verkauf von
Gemeindevermögen (z. B. Grundstücken), über
Straßenbaumaßnahmen,
über den Bau und Unterhalt der gemeindeeigenen
Gebäude und vieles
mehr. Bedienstete der Gemeinde waren u. a. der Gemeindepfleger, der
Hirtenmeister, die Hirten, der Fleckenschütz, die
Nachtwächter, die
Waschhausaufseherin und der Bote.
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Titel
der Gemeindepflegerechnung der Gemeinde Kißlegg
für das
Rechnungsjahr 1826/27, geführt von Gemeindepfleger Sebastian Welte
aus Kißlegg.
|
Die
Aufgaben der Gemeinde in der freiwilligen und streitigen
Gerichtsbarkeit verwaltete der Gemeinderat im Plenum als
„gesessenes
Gericht“ sowie in seinen Ausschüssen, z. B. dem
Waisengericht und
dem Untergangsgericht. Das „Waisengericht“
führte die Geschäfte
der Pflegschaften und Vormundschaften von Gemeindeangehörigen
und
war an der Erstellung der Inventuren und Teilungen bei
Todesfällen
und Eheschließungen in Gemeinschaft mit dem Amtsnotar
beteiligt. Das
„Untergangsgericht“ nahm hauptsächlich bei
Grenz- und
Überfahrtsstreitigkeiten vor Ort die Streitsache in
Augenschein und
führte ein Urteil herbei.
Der Schultheiß selbst ahndete kleinere
Gesetzesverstöße auf dem
Gemeindegebiet mit Geld- und Gefängnisstrafen und nahm in
seiner
Funktion als Ratsschreiber den Abschluss und die Protokollierung von
Rechtsgeschäften unter den Gemeindebürgern,
insbesondere Kauf- und
Tauschverträgen, vor.
Die Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches des
mittlerweile
gegründeten Kaiserreichs im Jahr 1900 entlastete die Gemeinden
von
einem großen Teil der Aufgaben in der freiwilligen
Gerichtsbarkeit,
so dass diese sich nun stärker Bereichen wie z. B. der
Infrastruktur, der wirtschaftlichen und baulichen Entwicklung und des
Schulwesens widmen konnten. Heute spielt selbst die Ratsschreiberei
nur noch eine untergeordnete Rolle.
Dem
Gemeinderat stellte die Verwaltungsreform ein beratendes und
kontrollierendes Gremium gegenüber, den
Bürgerausschuss, den die
Gemeindebürger alle zwei Jahre neu wählten (ab 1891
alle vier
Jahre). In Kißlegg bestand der Bürgerausschuss aus
sieben
Mitgliedern. Dem Gremium stand eines seiner Mitglieder als
„Obmann“
vor; es musste bei allen wichtigen Gemeindeangelegenheiten
angehört
werden, z. B. bei der Festlegung der Gemeindeumlage, dem Kauf und
Verkauf von Gemeindevermögen und der Verleihung des
Ehrenbürgerrechts.
Der Bürgerausschuss konnte Beschlüsse des
Gemeinderats in ihrer
Wirkung hemmen und – auch gegenüber den vorgesetzten
Behörden –
in Frage stellen oder bekräftigen. Ausdrücklich
sollte der
Bürgerausschuss von der „ordentlichen Verwaltung
entfernt“
bleiben, die dem Gemeinderat und dem Schultheißen oblag.
Gemeinsame
Aufgaben und Einrichtungen der neu entstandenen Gemeinden sowie der
bereits früher abgetrennten Gemeinde Waltershofen
führten auch nach
Auflösung der Landschaftskassen dazu, dass die Ortsvorsteher
sich
über die Bestreitung und Aufteilung der anfallenden Kosten
beraten
und einigen mussten. Gemeinsame Aufgaben und Einrichtungen waren wie
schon zuvor das Feuerlöschwesen mit dem gemeinsamen
Feuerlöschgerätehaus
(„Spritzenhaus“) in Kißlegg, der
Schulverband im Bereich der Pfarrei Kißlegg (ohne Immenried
und
Waltershofen), die Abdeckerei („Kleemeisterei“) mit
der
sogenannten „Fallhütte“ im Löhle
sowie die gemeinsame Hebamme.
Die Kosten hierfür wurden von 1822 bis 1840 auf die einzelnen
Gemeindekassen umgelegt.
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Spritzenhaus der Landschaft Kißlegg in der heutigen
Schützengasse in Kißlegg. Das Gebäude wurde im Jahr
1811 erbaut und dient heute als Lagerraum und öffentliche Toilette. |
Als
im Jahre 1840 der Kauf des ehemaligen Klosters und dessen Umbau zum
Schul- und Rathaus für die am Schulverband beteiligten
Gemeinden
anstand, wurden Schwierigkeiten bei der Abrechnung mit den
Gemeindepflegen deutlich; das bisherige System erwies sich als
unzureichend. Nach Abschluss der Arbeiten am Schulhaus wurde daher
1846 beschlossen, rückwirkend für 1840/45 und in
Zukunft eine
gemeinsame "Landschaftsverbands-Rechnung" über die
gemeinsamen Ausgaben und die hierzu erforderlichen Beiträge
der
Gemeinden zu stellen. Außerdem wurden die Besprechungen der
Ortsvorsteher dieses "Landschaftsverbandes" von 1840 an
protokolliert. Eine feste Organisation fehlte aber zunächst.
Der
Entwurf eines Statuts von 1861 sah erstmals ein besonderes
Vertretungs- und Verwaltungs-Gremium für den
Landschaftsverband vor.
Das Statut kam jedoch nie zur Gültigkeit; die Kreisregierung
erlaubte mit Erlass vom 9.1.1863 lediglich ein Verwaltungsorgan
für
den Schul- und Kirchenverband und erklärte die bestehende
Verbindung
desselben mit dem Landschaftsverband für unstatthaft, weil
Landschafts- und Schulverband geographisch nicht deckungsgleich
waren. Aufgrund dieses Bescheids erfolgte 1865 die Trennung des
Pfarr- und Schulverbands von der Landschaft. Letztere erhielt nun
einen Ausschuss aus Vertretern der Gemeinden (Landschaftsausschuss) und
einen Landschaftsvorsteher (1863 - 1901 der Sommersrieder
Schultheiß Franz Xaver Dentler, ab 1901 der
Schultheiß von
Kißlegg).
Waltershofen
war nur teilweise am Landschaftsverband beteiligt. Es trat am 1844
auch der gemeinsamen Feuerlöschanstalt bei, aus der es aber
bereits
1861 wieder ausschied. Zuletzt hatte die Gemeinde nur an der
Abdeckerei mit der Fallhütte Anteil. 1866 verabschiedete sich
auch
Immenried, wo bereits 1861 eine Feuerwehr entstanden war, aus dem
Feuerlöschverband. 1888 schließlich wurde dieser
dann ganz
aufgelöst.
Die
1865 aus dem Landschaftsverband herausgelöste Pfarr- und
Schulgemeinde wurde durch den "Pfarr- und Schulgemeinderat"
verwaltet. Neben der Schule erstreckte sich ihr Aufgabenbereich unter
anderem auch auf die Unterhaltung des kirchlichen Friedhofs. Die
kirchlichen Aufgaben wurden um 1895 der St. Gallus- und
Ulrichs-Kirchenpflege zugeteilt und die Pfarr- und Schulgemeinde in
"Schulgemeinde Kißlegg" umbenannt.
Das
Eigentum am Schul- und Rathaus wurde zunächst ganz der Pfarr-
und
Schulgemeinde zugesprochen, später aber mit der Landschaft
geteilt.
Allen Landschaftsgemeinden (außer Immenried und Waltershofen)
diente
lange Zeit der Ostflügel des Gebäudes als Rathaus, in
dem die
Sitzungen der Gemeinderäte des Fleckens und der Landgemeinden
abgehalten und die Akten der Landschaft, der Schulgemeinde und der
Stiftungen aufbewahrt wurden.
Aber auch Räumlichkeiten in Wirtshäusern wurden
für Ratssitzungen
genutzt, z. B. in Rötsee für den Gemeinderat
Emmelhofen. Die
Schultheißen selbst amtierten hauptsächlich von
ihren Wohnungen
aus. So hing das Schild „Schultheißerei“
im Flecken Kißlegg
nicht etwa am gemeinsamen Rathaus, sondern am Wohnhaus des
Schultheißen Speth, wie uns ein altes Foto zeigt.
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Amtseinsetzung von Schultheiß Josef Speth am 28. Januar 1928 vor dem früheren Rathaus (dem jetzigen
kath. Gemeindehaus), mit Schultheiß, Alt-
Schultheiß, Geistlichkeit und Gemeinderäten
von Kißlegg sowie den Schultheißen der drei anderen Landschaftsgemeinden. |
Erste Reihe (sitzend, v. l. n. r.): Alois Elbs, Franz Speth, Adrian
Speth, Albert Kottmann, Pfarrer Emil Wahr, Pfr. i. R.
Franz Josef Ziesel, Franz Raichle, Anton Haehl (Schultheiß
von Sommersried), Alois Welte (Gemeindepfleger von Kißlegg),
Hans Rinninger, Karl Kehle. Zweite Reihe (stehend, v. l. n. r.): Anton
Weiland, David Kuhn, Anton Schäfer, Franz Zimmermann, Albert
Frey, Landrat Alfred Doll, Bürgermeister Josef Speth, Franz
Büchele, Karl Schupp, Benedikt Horn, Josef Kesenheimer
(Schultheiß von Wiggenreute), Georg
Sonntag (Schultheiß von Emmelhofen), Ludwig Kramer. |
Obwohl
die Landschaftsgemeinden zusammen mit Immenried, Waltershofen und
sogar unter Einschluss des benachbarten Leupolz mit einer
Distrikts-Tierarztstelle 1908 nochmals eine gemeinsame Einrichtung
schufen, waren die einzelnen Gemeinden zu Anfang des 20.
Jahrhunderts, entgegen ihrer Einstellung bei der seinerzeitigen
Aufteilung der Landschaft 1819/20, sehr um ihre
Eigenständigkeit
bemüht. 1910, als in Kißlegg ein neues
Schulgebäude für die
Schulgemeinde errichtet werden sollte, sprachen sich Teile der
Bürgerschaft auf dem Land sogar dafür aus, innerhalb
ihrer
jeweiligen Gemeindegrenzen eigene Schulen zu errichten. Als
Schulstandorte im Gespräch waren dabei die Orte
Bärenweiler für
die Gemeinde Sommersried und Rötsee für die Gemeinde
Emmelhofen.
Umso heftiger wehrten sich Emmelhofen, Sommersried und Wiggenreute
1924 gegen eine in Anregung gebrachte Eingemeindung nach
Kißlegg.
Die Gemeinde Emmelhofen erstellte nun sogar ein eigenes Rathaus
(1927) und beantragte schließlich 1928 erfolgreich die
Auflösung
der Landschaft, um der drohenden Eingemeindung zu entgehen.
Zuletzt
zogen sich auch der Flecken Kißlegg und die Gemeinde
Wiggenreute aus
dem gemeinsamen Rathaus im ehemaligen Kloster zurück.
Kißlegg ließ
1931 ein eigenes Rathaus im Ensemble mit dem Gebäude der
Landschaftsbank und dem Arzthaus von Dr. Reich errichten und
Wiggenreute mietete die bisherigen Räume der Landschaftsbank
im
Gebäude des Kaufhauses „Kuen zur Sonne“ am
Kirchplatz als
Ratslokal an. Das alte Kloster, nun nur noch von der Gemeinde
Sommersried genutzt, hieß fortan im Volksmund das
„Sommersrieder
Rathaus“.'
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Rathaus Kißlegg, erbaut 1931, mit Landschaftsbank (rechts) und Haus Dr. Reich (links) |
Rathaus Emmelhofen,
erbaut 1927 |
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Obwohl
sich die 1933 gleichgeschalteten, das heißt mehrheitlich mit
NSDAP-Mitgliedern besetzten Gemeinderäte der Landgemeinden
wiederum
dagegen aussprachen, erzwang die NSDAP-Kreisleitung 1934
schließlich
die Eingemeindung von Emmelhofen, Sommersried und Wiggenreute nach
Kißlegg.
Das
politische Leben nach dem 2. Weltkrieg begann in Kißlegg
bereits
1946. Zur Besorgung der Gemeindeangelegenheiten in Kißlegg
wurde von
der franz. Besatzungsregierung ein Gemeindeverwaltungsausschuss
geschaffen, der bis zur Wahl des ersten Nachkriegs-Gemeinderats im
Jahr 1948 amtierte. Die Hauptaufgabe war zunächst die
Unterbringung
der vielen Flüchtlinge aus den Ostgebieten. Die Ansiedlung von
größeren Gewerbebetrieben und der Bau von
stattlichen
Mehrfamilienhäusern im Jahr 1950 markierte dann den Beginn
eines
beschleunigten Strukturwandels in Kißlegg, verbunden mit
Wohnungsbau
und Bevölkerungsanstieg.
Die
Verwaltungsreform von 1972 führte nach vielen Diskussionen und
Verhandlungen mit den Nachbargemeinden Waltershofen, Immenried,
Leupolz und Wolfegg schließlich zur Eingemeindung
von
Waltershofen und Immenried. Sie wurden als Ortschaften mit je eigenem
Ortsvorsteher und Ortschaftsrat in die Gemeinde Kißlegg
eingegliedert. 1974 entschied sich auch der nördliche Teil der
Gemeinde Leupolz um den Ort Bietenweiler für den Anschluss an
die
Gemeinde Kißlegg.
Nach
und nach hatten in diesem Prozess nun also alle Dörfer und
Weiler,
die einst in irgend einer Form zur Herrschaft Kißlegg und
ihren
beiden Landschaften gezählt wurden, wieder in einen
gemeinsamen
körperschaftlichen Verband zurückgefunden.
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