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Vor 400 Jahren starb Hans Ulrich von Schellenberg, Herr zu Kißlegg, Waltershofen und Rötsee



Hans Ulrich von Schellenberg prägte das Ortsbild von Kißlegg

KISSLEGG. Mehr als 450 Jahre lang residierte in Kißlegg die aus dem heutigen Fürstentum Liechtenstein stammende adlige Familie von Schellenberg. Viele ihrer Mitglieder machten auswärts Karriere, als Kriegsherren, königliche Ratgeber, Verwaltungsbeamte und als Geistliche. Von denen, die hier im Ort sesshaft blieben und sich um die Geschicke ihrer angestammten Herrschaft kümmerten, hat Hans Ulrich von Schellenberg die sichtbarsten Spuren hinterlassen. Er regierte Kißlegg fast 60 Jahre lang im bewegten Zeitalter der Reformation und der Glaubenskriege. Vor 400 Jahren, am 26. Januar des Jahres 1606, ist er verstorben.

Hans Ulrich von Schellenberg wurde am 15. Mai 1518 als Sohn des Wolf von Schellenberg und der Regina geb. von Maxlrain geboren. Durch die Eltern bestand eine enge Beziehung zu Bayern: Vater Wolf hielt sich als Hofmarschall des Herzogs Wilhelm lange Zeit in München und auf bayerischen Schlössern auf, und die Mutter Regina war im Schloss Maxlrain bei Aibling zu Hause.

Wie sein Vater und sein berühmter Onkel, Dr. Ulrich von Schellenberg, erhielt auch Hans Ulrich eine akademische Ausbildung. Er ist 1532 zusammen mit seinem Bruder Dionys (1521- um 1579) als Student auf der bedeutenden Hohen Schule zu Ingolstadt erwähnt. Die kriegerische Laufbahn des Onkels hingegen schlugen die beiden Brüder nicht ein. Lediglich 1547 war einer der beiden mit 6 Pferden am Kriegszug gegen Böhmen beteiligt, und 1570 führte Hans Ulrich 4 Pferde unter bayerischer Fahne nach Ungarn.

1545 heiratete Hans Ulrich auf Schloß Lichtenberg am Lech Anna von Weiler zu Altenburg. Zunächst in Vertretung seines Vaters übernahm er um diese Zeit die Regierung in der Herrschaft Kißlegg. Nach dessen Tod verlieh Kaiser Ferdinand I. am 9. Mai 1559 den Brüdern Hans Ulrich und Dionys von Schellenberg die Reichslehen im halben Teil der Herrschaft Kißlegg, nämlich das Marktrecht zu Kißlegg sowie Gericht, Stock und Galgen samt dem Bann, über das Blut zu richten. 1560 folgte die Verleihung der St. Gallischen Güter in der Herrschaft Kißlegg durch den Abt Diethelm. Dionys, damals bayerischer Pfleger in Haag und Schongau, überließ Kißlegg aber ganz seinem Bruder.

Schellenberg
Hans Ulrich von Schellenberg und seine erste Ehefrau Anna geb. von Weiler
(Hospitalstiftung zum Heiligen Geist, Kißlegg)

Hans Ulrich trat die Herrschaft in einer für Kißlegg schweren Zeit an: 1548 war der ganze Flecken einschließlich der Kirche und des Klosters ein Raub der Flammen geworden. Zum Wiederaufbau der Pfarrkirche und des Frauenklosters lieferte Hans Ulrich von Schellenberg das benötigte Baumaterial und gewährte den Klosterfrauen Unterkunft in ihrer Not.

Als Bauherrn finden wir Schellenberg auch in den folgenden Jahren. Er erbaute sich um 1560/70 ein stattliches Schloss mit Staffelgiebel und Ecktürmen, das „Alte Schloss“, das bis auf den heutigen Tag das Ortsbild von Kißlegg prägt. Es wird vermutet, dass es in seiner äußeren Form auf die Ulmer Patrizierhäuser zurückgeht, die damals für den Adel auf dem Land Vorbildcharakter besaßen.

Nach 1560 ist dann erstmals das Schellenbergische Seel- oder Siechenhaus beim Friedhof St. Anna erwähnt. Es diente der Unterbringung armer und verwahrloster Menschen, beim Ausbruch von Seuchen auch von ansteckend Erkrankten. Zusammen mit seiner Ehefrau Anna stiftete Hans Ulrich am 12. September 1575 das Hospital zum Heiligen Geist. Er ließ es im Flecken „zu oberst gegen Auffgang der Sonnen“ errichten, wo es sich bis auf den heutigen Tag befindet. 1995 erhielt diese Einrichtung in Erinnerung an den Stifter den Zusatznamen „Ulrichspark“.

Ab 1554 bemühte er sich, die kaum mehr befahrbare Reichsstraße (heutige Bundesstraße und künftige Autobahn) zwischen Hilpertshofen und Muttermanns zu erneuern. Er wandte sich an Kaiser Karl V. mit der Bitte, künftig einen Zoll zur Finanzierung des Straßenbaus erheben zu dürfen.

In der Zeit nach 1580 schließlich betrieb er die Wiederherstellung der beinahe zerfallenen Wallfahrtskirche Rötsee. Er sorgte für eine ordentliche Bewirtschaftung der einstigen Probstei mit ihren aus weitem Umkreis fließenden Einkünften und setzte einen eigenen Verwalter ein.

Die Regierungszeit Hans Ulrichs von Schellenberg ist auch gekennzeichnet durch Maßnahmen, die die schellenbergische Herrschaft territorial abrunden und klare Rechtsverhältnisse herstellen sollten.

An den Rändern seines Herrschaftsbereichs konnte er Höfe und Güter wie zum Beispiel Rötsee und Goppertshofen erwerben, die seither zu Kißlegg gehören. Mit den benachbarten Herren galt es, strittige Zehnt-, Holz-, Jagd- und Lehensrechte neu zu regeln. So hatte Truchsess Jakob von Waldburg den schellenbergischen Zehnten zu Eintürnen einsammeln lassen und dabei die Diener Hans Ulrichs gefangen genommen. Solche Streitfälle gingen teils bis vor das Reichskammergericht. Am Ende stand jedoch der vertragliche Ausgleich mit den Truchsessen (1583). 

Fenster Deckengem
Wallfahrtskirche Rötsee
links: Fassadendetail mit freigelegtem Fensterornament des 16. Jahrhunderts.
rechts:  Kirche, Wirtshaus, Höfe Schnellen und Blöden sowie der Rötsee im 18. Jahrhundert (Ausschnitt aus dem Deckengemälde).
(Fotos: Th. Weiland)

Erfolgreich wehrte sich Hans Ulrich gegen Versuche des Landgerichts Schwaben, die Gerichtshoheit der Schellenberger zu untergraben und festigte damit die Unabhängigkeit der Herrschaft Kißlegg, die mit dem Markt- und Gerichtsprivileg König Wenzels 1394 ihren Anfang genommen hatte.

Den heftigsten Streit führte Schellenberg aber mit der in der geteilten Herrschaft Kißlegg mitregierenden Familie von Freiberg und ihrer Erbtochter Helena. Gestritten wurde über alles, was es an gemeinsamen Angelegenheiten gab, vom Gericht über die Jagd, die Besetzung der Kirchenstellen, die Steuern und Abgaben, die öffentlichen Dienste, die Raumaufteilung der gemeinsamen alten Burg Kißlegg bis hin zu der Frage, in welchen Gasthäusern die jeweiligen Untertanen ihre Hochzeit feiern durften. Der Ehemann der Helena, Graf Gabriel von Hohenems, trug erheblich dazu bei, dass es fast zu einem Kleinkrieg in Kißlegg kam. Er wird als haltloser Abenteurer und Gewalttäter geschildert, der sich nicht scheute, zum Gottesdienst in der Pfarrkirche Kißlegg mit geladener und gespannter Feuerbüchse zu erscheinen. Als Hans Ulrich von Schellenberg 1570 etliche adelige Gäste in seinem Wirtshaus verköstigte, nahm Graf Gabriel mit seinem Gesindel aus seinem Schloss heraus „die freie Gasse und die Leute auf freiem Felde mit halben Haken unter Feuer“. 1573 sollte ein Vertrag sowohl von Schellenberg und als auch von Hohenems besiegelt werden. Graf Gabriel zerriss den Vertrag, warf ihn zu Boden und durchschoss ihn mit seiner Büchse. 1576 kam es zur Plünderung des neuen Heilig-Geist-Spitals und zur Festsetzung des Spitalmeisters durch „die von Hohenems - Adlige und Pöbel“.

Durch ein Schiedsgericht und drei umfassende Verträge, die für rund 220 Jahre eine Art Grundgesetz für die Herrschaft darstellten, konnte der Streit schließlich beigelegt werden. Allein der erste von ihnen aus dem Jahr 1581 regelt über 50 Streitpunkte. Weitere Verträge von 1583 und 1593 schafften die Differenzen der beiden Herrschaften vorerst ganz aus der Welt.

Kisslegg 1699
Hans Ulrich von Schellenberg prägte mit seinen Bauten das Ortsbild von Kißlegg: Im Süden das Schellenbergische Schloss (links im Bild) und im Osten das Spital zum Heiligen Geist (rechts). Ausschnitt aus einem Kupferstich von 1699.
(Pfarrarchiv Kißlegg)

Die vielen Bauten, Güterkäufe und Stiftungen, aber auch die zahlreichen Prozesse des Hans Ulrich erforderten enorme Geldsummen. Bereits der Vater Wolf und der Onkel Dr. Ulrich von Schellenberg hatten die Herrschaft Kißlegg bzw. Teile davon zu Anfang des 16. Jahrhunderts aus ähnlichen Gründen mehrfach mit Darlehen belastet. Das Kriegsgeschäft des Ritters und Doktors Ulrich war ebenso wenig wie das Hofmarschallamt des Wolf von Schellenberg einträglich genug gewesen, um das dem Adelsstand angemessene Leben zu finanzieren. Bei seinem Regierungsantritt sah sich Hans Ulrich mit Hypotheken von insgesamt rund 22000 Gulden konfrontiert. Die Darlehen, die er zusätzlich aufnehmen musste, betrugen etwa 10000 Gulden. Zwar achtete er offenbar darauf, dass seine Erwerbungen Güter und Rechte beinhalteten, die dauerhaft Zins und Einkünfte versprachen, z. B. der Zoll bei Dettishofen und die Einkünfte der Probstei Rötsee. Es gelang ihm auch, den Anteil seines Bruders Dionys an der Herrschaft Kißlegg, den er quasi treuhänderisch mit verwaltete, nicht mit neuen Schulden zu belasten. Seine Maßnahmen konnten jedoch die Belastungen aus Altschulden und deren Zinsen bei einer sich allgemein verschlechternden wirtschaftlichen Lage am Ende des 16. Jahrhunderts nicht kompensieren. Als der Nachfolger Hans Christoph von Schellenberg im 17. Jahrhundert während des Dreißigjährigen Krieges sich in weitere finanzielle Abenteuer stürzte, geriet die Schellenbergische Herrschaft an den Rand des finanziellen Ruins.

Nach dem Tod seiner ersten Ehefrau schloss Hans Ulrich 1586 in Lindau die zweite Ehe mit Johanna von Heggelbach. Am 26. Januar 1606 starb er 88jährig und wurde in dem von ihm erbauten Liebfrauenchor der Pfarrkirche Kißlegg bestattet. Da er kinderlos geblieben war, ging die Herrschaft an den Neffen Gabriel Dionys von Schellenberg, der aber noch im selben Jahr verstarb. Für dessen unmündige Kinder übernahm eine Vormundschaftsregierung die Herrschaft Kißlegg.

Die Kißlegger Klosterfrauen, die im Lauf der Zeit mehrfach von Hans Ulrich von Schellenberg und seinen beiden Ehefrauen mit Stiftungen bedacht worden waren, standen dem Junker dennoch sehr distanziert gegenüber. Sie besaßen ein feines Gespür für die unter Hans Ulrich zunehmenden Versuche der Herrschaft, auch mit der kleinen Klostergemeinschaft, wie mit dem Herrschaftsgebiet insgesamt, ein intensiveres Abhängigkeitsverhältnis zu schaffen. Als sie 1605 ihr Oratorium in der Pfarrkirche erweitern und darin die Messe für sich lesen lassen wollten, gerieten sie wieder einmal mit Hans Ulrich von Schellenberg in Konflikt. Schellenberg wollte ihnen nur gestatten, mit den Ordensoberen die Messe im Oratorium zu lesen. In ihrer Chronik berichten die Klosterfrauen, wie sie damals erfolgreich ihre „Freiheit“ gegen Schellenberg verteidigten: „hätten wir vns dz selb mall nitt gewerth, so wehr er oder ain andere oberkaitt vill strenger wider vns gewesen vnd hetten vns wöllen ein greisen vnd jber vns wöllenn gebieten vnd schafen was sey wolten, dan man fangts mit dem klainen an, wan man den gaistlichen will ein drang thon. Gott vör zeih vnd vor gebs jnn vnd auch den jenigen die jnn dar zue haben an gereiz; er ist gestorben den 26 tag Jener jm 1606, er ist 90 jar allt gewesen vnd hatt geriegiertt 60 jar; nach jm hat geregyertt seins bruoders sohn Junckher Deyenysius, er hat aber die herschaft nur 14 wochen aigenthumlich ein gehabt er ist gleich jnn 14 wochen nach dem altten Junckher von schellenberg gestorben ...“

Weitere Informationen zu Hans Ulrich von Schellenberg finden sich in dem Buch „Das Hospital zum Heiligen Geist in Kißlegg“. Das Buch ist im Ulrichspark für 12 EUR erhältlich.

Thomas Weiland


Quellen:

Pfarrarchiv Kißlegg: Rodel oder Verzeichnus aller Guetthäter, Stifter und merkhenswürdigen Sachen, und Begebenheiten...(Klosterrodel, 1548 ff.)

Literatur:

BECK, Otto: Kißlegg/A.. Terziarinnenkloster "Maria Bethlehem". In: alemania franciscana antiqua, Band VII. Ulm 1960
BÜCHEL, Johann Baptist: Regesten zur Geschichte der Herren von Schellenberg, Folge I-V. In: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum
Liechtenstein, Vaduz 1901 - 1906
BÜCHEL, Johann Baptist: Geschichte der Herren von Schellenberg, Folge I-III. In: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Vaduz 1907-1909
BURMEISTER, Karl-Heinz: Ulrich von Schellenberg, Vogt der Herrschaft Feldkirch, 1478-1549. In: Jb. des Vorarlberger Landesmuseumsvereins 1968/69. Bregenz 1970.
GRIMM, Michael: Versuch einer historisch-statistischen Beschreibung Kißleggs samt seiner Umgebung. Erweiterter Nachdruck der Ausgabe Kißlegg 1864, hrsg. von Thomas Weiland. Kißlegg 1994.
GUENTER, Heinrich (Bearb.): Gerwig Blarer, Abt von Weingarten und Ochsenhausen. Briefe und Akten. Zweiter Band 1547-1567. Stuttgart (Kohlhammer) 1921.
WEITNAUER, Alfred: Allgäuer auf hohen Schulen. Kempten 1939.
WEILAND, Thomas: Das Hospital zum Heiligen Geist in Kißlegg. Ein Streifzug durch die Geschichte. Kißlegg (Hospitalstiftung zum Heiligen Geist) 1995.
WELTI, Ludwig: Graf Hannibal I. von Hohenems. Innsbruck 1954.

 
 
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