KISSLEGG 09.08.2007. Die
Schwäbische Zeitung berichtete:
„Bei den Vorbereitungen zur Kellersanierung des Neuen
Schlosses
und der Sanierung der Schlossmauer am kleinen Schlosspark in
Kißlegg wurden in den vergangenen Tagen an einzelnen Stellen
Schürfgrabungen vorgenommen. Zur Überraschung aller
traten
rechtwinklig zur Schlossmauer in Richtung Hotel Ochsen sehr alte
Fundamente zu Tage. Diese Fundamente können noch keinem
bekannten
Gebäude zugeordnet werden und dürften nach ersten
Schätzungen von Archäologen des Landes zwischen dem
12. und
14. Jahrhundert zu datieren sein. Damit sind diese Fundamente
älter als die unter dem Neuen Schloss vorgefundenen. Die
Gemeinde
ließ das freigelegte Fundamentstück noch
während des
Parkfests zur Besichtigung offen. Anschließend soll es wieder
zugeschüttet werden, damit es nicht beschädigt wird.
Ob
weitere Grabungen stattfinden oder das Fundament gar im Schlosspark
eine Funktion erhält ist noch unklar.“
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Bei
Schürfgrabungen
freigelegtes Fundament südlich des Neuen Schlosses.
(Foto:
Schwäbische
Zeitung / Der Kißlegger)
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Mit
einer Kopie der Flurkarte von 1825 kann man versuchen, das
aufgefundene Fundament einem früheren Gebäude
zuzuordnen. Es
liegt ja in einer Flucht etwa senkrecht auf die Mitte des Wohnhauses
Karrer-Eisenhöfer hinter dem Gasthaus Ochsen zulaufend. Wenn
man
die in der Urkarte eingezeichneten Gebäude damit vergleicht,
sieht
man etwa in dieser Flucht die östliche Längsseite
eines
großen landwirtschaftlichen Gebäudes, das sich etwa
von der
heutigen Schlossmauer bis fast an den Zufahrtsweg zum
Südeingang
des Schlosses erstreckte.
Es ist ja bekannt, dass Fürst Eberhard von Wurzach um 1875
sein
Grundstück auf der Südseite des Schlosses
arrondierte, um es
neu einfrieden zu können. Dabei kaufte er Grundstücke
von
angrenzenden Bürgern und den nördlichen Teil eines
Gebäudes (des Vorgängerbaus des
Ochsen-Gästehauses) und
ließ offenbar das in der Urkarte eingezeichnete
landwirtschaftliche Gebäude abbrechen. Dieses gehörte
zum
Schloss, wie das Güterbuch bestätigt.
Dort (Güterbuch Band I, fol. 341') wird es als "eine
zweistokigte,
von Holz erbaute Scheuer mit Mauerstok und Schindeldach" bezeichnet.
Zur Scheuer gehörte ein eigener, vom Schlossareal
unterschiedener
Hofraum mit einer Gesamt-Gebäude- und Freifläche von
1/8
Morgen und 5,8 Ruthen. Im Güterbuch ist vermerkt, dass laut
Meßurkundenheft 1876/77 die Scheuer abgebrochen und "das
Areal
sowie der Hofraum zu Schloßanlagen verwertet" wurden.
Das
Feuerversicherungsbuch von 1874 (fol. 112' f) beschreibt das
Gebäude ähnlich: "Eine Scheuer, theils von Stein und
theils
von Holz erbaut, mit 2 Stokwerken, unter Landerndach." Es
erwähnt
auch, dass eine im oder am Gebäude befindliche Viehwaage mit
versichert ist. 1876 erfolgte die Löschung im
Feuerversicherungsbuch wegen Abbruchs.
Eine
vorbereitende Zusammenstellung der Standesherrschaft Wurzach zur
Anlegung des Güterbuchs aus dem Jahr 1839 bringt weitere
interessante Details: "Eine Scheuer, Bauhofstadel
genannt,
zweistökig, die Seitenwände des unteren Stoks sind
mit
Ausnahme gegen Westen mit Steinen aufgemauert, alles übrige
dagegen ist von Holz." Der Hofraum der Scheuer schloss sich an dieser
nicht gemauerten Westseite an, reichte beinahe bis an die gepflasterte
Straße und war seit 1834 von einem hölzernen Zaun,
zuvor von
einer wegen Baufälligkeit abgebrochenen Ringmauer umgeben.
Zwischen Hofraum und Straße befand sich noch ein schmaler,
von
der Straße zugänglicher Streifen, der der Herrschaft
gehörte und auf dem ein Pumpbrunnen der Gemeinde stand (wohl
etwa
dort, wo jetzt die Sitzbank gegenüber dem Eiscafé
steht).
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Schlossareal
Kißlegg nach der Landesvermessung von 1825,
mit Schlossgarten (westlich der Straße nach Immenried),
Schlossgebäude und Bauhofstadel des Schlosses
südlich davon
(Markierung).
(Gemeindearchiv
Kißlegg)
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Von
der Lage des aufgefundenen Fundaments her kann man davon ausgehen,
dass es sich um das Fundament der östlichen
Längsseite des
Bauhofstadels oder der östlichen Ringmauer um denselben
handelt.
Möglich ist auch, dass auf der Ostseite und auf
Gebäudebreite
auch auf der Nord- und Südseite Mauerstock und Ringmauer
identisch
sind.
In der Beschreibung von 1839 heißt es übrigens noch:
"Das
Fundament von dieser Ringmauer steht noch in der Erde, und es
könnte deßhalb zu jeder beliebigen Zeit wieder eine
neue
Ringmauer auf das vorhandene alte Fundament aufgesetzt werden."
Bleibt die Frage, wie sich diese Überlegung mit einer
Datierung
der Mauern ins späte Mittelalter vereinbaren lässt.
Der Begriff "Bauhofstadel" besagt ja, dass es sich um das
Wirtschaftsgebäude des Schlosses gehandelt haben muss. Michael
Grimm schreibt hierzu (1864): "Auch mit genanntem [Wurzach'schen]
Schlosse ist ein Bauhof verbunden, dessen Güter aber in
Einzelnpacht gegeben sind". Die Herrschaft betrieb also keine eigene
Landwirtschaft mehr und hatte wohl auch den Bauhofstadel verpachtet
oder anderweitig genutzt (Viehwaage!). Nach der Beschreibung der
Herrschaft Kißlegg, paumgartischen Anteils, von 1791, bestand
das
Schlossgut in 24 Winterfuhren und war seit 1778 verpachtet.
Auf der Karte der Herrschaft Kißlegg von 1720 ist der Stadel,
wohl auch die Mauer, erkennbar. Der Stadel bestand schon vor dem Brand
von Kißlegg im Jahr 1704, er ist nämlich in dem
Verzeichnis
der verbrannten Häuser von Vogt Johann Wilhelm Bosch
aufgelistet:
"Hochgräflicher Seits: Dz Schloß völlig
sambt darbei
gestanden Hoffstadl und Stallung abgebrandt..." Üblicher Weise
wurden Gebäude nach Bränden auf dem alten Mauerstock
wieder
errichtet. Der Ortsplan von 1704 zeigt die Grundstücksumrisse
beim
Schloss bereits in der gleichen Form wie die Urkarte von 1825.
Ältere Nachrichten über den Bauhofstadel konnte ich
nicht
finden, lediglich ein Hinweis aus dem Jahr 1571, als Graf Gabriel von
Hohenems das Schloss durch 13 angeworbene Kriegsknechte besetzt halten
ließ. Diese hätten "in Stall und Haus" alles
niedergeschlagen, einschließlich Kühe,
Kälber und
Schweine.
Man kann sicher sagen, dass zu dem Schloss ein Schlossbauhof
gehört; der Bauhofstadel muß also so alt sein wie
das
Schloss selbst, wenn er nicht sogar zunächst Wohn- und
Wirtschaftsgebäude gewesen ist, und das Schloss erst
später
daneben errichtet wurde. Man könnte dann auf die Vermutung
Richard
Ernsts zurückkommen, dass das Schloss zurückgeht auf
das bei
der Teilung Kißleggs 1381 erwähnte Haus zu Zell, in
dem die
seelige von Windeck gelebt hatte ("dz Huse ze Zelle, da die von Windegk
seelig Inne saß"). Vielleicht ist dann der Bau Graf Gabriels
von
Hohenems um 1570 der erste richtige Schlossbau. Nachweislich ist 1592
von "zwei adeligen Häusern mit Zugehör innerhalb
einer
Ringmauer" die Rede, es hätte also noch ein zweiter Bau
bestanden.
Literatur:
BÜCHEL,
Johann Baptist: Regesten zur Geschichte der Herren von
Schellenberg, Folge I-V. In: Jahrbuch des Historischen Vereins
für
das Fürstentum
Liechtenstein, Vaduz 1901 - 1906
BÜCHEL, Johann Baptist: Geschichte der Herren von
Schellenberg,
Folge I-III. In: Jahrbuch des Historischen Vereins für das
Fürstentum Liechtenstein, Vaduz 1907-1909
GRIMM, Michael: Versuch einer historisch-statistischen Beschreibung
Kißleggs samt seiner Umgebung. Erweiterter Nachdruck der
Ausgabe
Kißlegg 1864, hrsg. von Thomas Weiland. Kißlegg
1994.